Im Frühling 2022 ist es vergleichsweise einfach gewesen, aus dem Gazastreifen zu berichten. Ein Ausweis des israelischen Regierungspresseamtes genügte, um den Erez-Grenzübergang zu passieren. Die Schwierigkeiten kamen erst auf der anderen Seite: Tagelanges Warten auf die Einreisebewilligung der Hamas, ein Verhör und schliesslich die Begleitung durch einen Aufpasser. Seit dem 8. Oktober 2023 aber ist alles anders: Israel verweigert ausländischen Journalistinnen und Journalisten, darunter auch SRF, den Zugang. Auslandredaktorin Susanne Brunner sprach mit der israelischen Botschafterin in der Schweiz, Ifat Reshef, über die Gründe.
Israel mache sich Sorgen um die Medienschaffenden, sagt Ifat Reshef, sie könnten in Ausübung ihrer Arbeit getötet werden. Israel könne dies nicht wie üblich der Verantwortung der Medienschaffenden überlassen. Die Journalisten und Journalistinnen wüssten nicht, wo sich die israelische Armee jeweils bewege, so Reshef. Im Gazastreifen fände der Krieg gleichzeitig ober- und unterirdisch statt. Terroristen, die plötzlich aus Tunnels in Gebäuden voller Sprengstofffallen auftauchten, seien eine tödliche Gefahr für die Soldaten und erst recht für Journalisten, argumentiert die Botschafterin.
Gezielte Tötungen von Journalisten
Israel wolle zeigen, wie tief die terroristische Infrastruktur im Gazastreifen reicht. «Aber wir tragen auch die Verantwortung für die Leute, die in die Kriegszone kommen», sagt Reshef. Israel könne deren Sicherheit nicht garantieren. Das würden auch die unglücklichen Fälle der getöteten Hilfswerk-Mitarbeitenden zeigen.
Anders tönt es von Seiten der Betroffenen. Sowohl Hilfswerke als auch die amerikanische Journalistenorganisation «Committee to Protect journalists» CPJ werfen den israelischen Streitkräften die gezielte Tötung von medizinischem Personal und Journalisten vor. Da nur palästinensische Medienschaffende aus dem Gazastreifen berichten dürfen, wirft ihnen Israel vor, sie arbeiteten für die Hamas. Die Zahl von 137 getöteten und 74 verhafteten Journalisten im Gazastreifen bestreitet Israel.
Kriegsreporterinnen tragen die Verantwortung selbst
SRF-Auslandsredaktorin Susanne Brunner kann das Sicherheitsargument der Botschafterin nicht unwidersprochen lassen. Es gebe eine Vielzahl erfahrener Kriegsreporterinnen und Reporter in Israel und auf der ganzen Welt, welche aus früheren Gazakriegen und aus vielen anderen Kriegen berichtet haben. Die Verantwortung für ihre Sicherheit trügen die Journalisten und Journalistinnen selbst, respektive ihre Medienhäuser.
Brunner bezweifelt, dass dieses Vorgehen Israels helfe, seine Sicht auf die Ereignisse durchzusetzen. Israel gerate international immer mehr unter Druck. Und jetzt gehe die israelische Regierung auch noch vehement gegen kritische Medien im eigenen Land vor. Damit schwindet nach Ansicht Brunners das Verständnis, warum Israel in einem so dicht besiedelten Landstreifen, aus dem die Menschen nicht flüchten können, schon seit so langer Zeit Krieg führt und dabei versucht, unabhängige Journalistinnen und Journalisten auszusperren.