Im Foyer des Nationaltheaters in Mogadischu sitzen ein Dutzend Frauen und Männer auf Plastikstühlen und üben ein Lied für die nächste Aufführung. Bis vor Kurzem wäre das noch undenkbar gewesen – während fast 30 Jahren.
Dabei war die Kulturszene in Mogadischu einst florierend. Keiner weiss das besser als Theaterdirektor Abdikadir Abdi Yusuf. Der somalische Dichter stand hier in den 1970er- und 1980er-Jahren selbst auf der Bühne. Darum bedeute ihm dieses Theater auch derart viel: «Es ist der Ort, wo wir unsere Kultur zeigen, ein wichtiger Ort für die gesamte Gemeinschaft, ein Ort von grossem Wert», sagt der kleine alte Mann im imposanten Theatersaal vor purpurroten Sitzen.
Basis für die Warlords, Ziel von Al-Shabaab
1967 erbaut, spielte das Theater während der Militärdiktatur von Siad Barre eine wichtige Rolle als Kulturinstitution. 1991 wurde Barre gestürzt, Somalia versank im Bürgerkrieg. Das Nationaltheater wurde geschlossen und diente bald anderen Zwecken. Der Theaterdirektor zeigt um sich: «Die Milizen waren hier überall.»
In Mogadischu bekriegten sich damals Warlords, der Staat zerfiel. Seither gibt es in Somalia keine funktionierende Zentralregierung mehr. Das Machtvakuum füllte teilweise die islamistische Terrorgruppe al-Shabaab. Als die internationalen Friedenstruppen vor zehn Jahren Al-Shabaab aus der Hauptstadt vertreiben konnten, sollte auch das Nationaltheater endlich wieder eröffnet werden. Nach über 20 Jahren.
«Der Premierminister war da, dann gab es eine Explosion, es war eine Attentäterin», erinnert sich der somalische Sänger Adam Shimbirolays und lässt seinen Blick durch den Theatersaal schweifen. Kaum zwei Wochen nach der Eröffnung liess die terroristische Al-Shabaab den Saal in die Luft gehen. Zehn Menschen kamen dabei ums Leben, der Premier blieb unversehrt.
Erste Kinovorführung seit 30 Jahren
Nun ist das Nationaltheater erneut in Betrieb, seit rund eineinhalb Jahren. Neben den Musikern im Foyer bewachen ein halbes Dutzend somalische Soldaten den Eingang. Wie alle wichtigen Gebäude und Menschen in der Stadt ist das Theater 24 Stunden am Tag bewacht. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen konnte so vor wenigen Wochen sogar zum ersten Mal seit 30 Jahren in Mogadischu eine Kinovorstellung durchgeführt werden.
Auch Sänger Shimbirolays war dabei: «Ich war begeistert, all die jungen Menschen hier zu sehen. Und ich erinnerte mich daran, wie es früher war im Nationaltheater, als die Frauen noch keine Kopftücher trugen und wir um Mitternacht nach dem Konzert zu Fuss nach Hause gingen. Damals war es ungefährlich.» Er lacht und meint, dass er hoffe, das eines Tages wieder tun zu können. «Wir hoffen, dass wir Al-Shabaab besiegen und unsere Freiheit zurückerhalten.»