Was lange währt, wird jetzt hoffentlich endlich gut. So ungefähr dürfte sich die Stimmungslage heute am Nato-Hauptsitz in Brüssel beschreiben lassen. Im Mai 2022 hatte Schweden seinen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft gestellt. Doch statt – wie erhofft – ein paar Monate, dürfte der Beitrittsprozess am Ende fast zwei Jahre gedauert haben.
Alle bisherigen Nato-Staaten mussten dem Beitritt zustimmen, die Türkei und Ungarn liessen sich schier ewig Zeit. Nun aber, nach dem Ja des ungarischen Parlaments, sind nur noch ein paar wenige Formalitäten ausstehend. In wenigen Wochen dürfte vor dem Nato-Hauptsitz die schwedische Flagge gehisst werden. Die Nato wächst dann von 31 auf 32 Mitgliedstaaten.
Politisch ist der Schritt bedeutsam, weil Schweden während rund 200 Jahren als neutral galt und auch einigermassen gute Beziehungen zu Russland pflegte. Doch der russische Angriff gegen die Ukraine hat zum Umdenken geführt: Statt auf die Neutralität setzt Schweden in Zukunft auf die Mitgliedschaft im westlichen Militärbündnis.
Trump dämpft die Feierlaune am Nato-Hauptsitz
Schweden verfügt über eher kleine, aber schlagkräftige Streitkräfte. Und stärkt damit den Nato-Verbund in Skandinavien und im Ostseeraum. Das wiederum freut vor allem die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Sie waren einst Teil des russischen Zarenreichs und der Sowjetunion – um vor 20 Jahren aus Angst vor Russland der Nato beizutreten.
Allzu gross dürfte die Feierlaune am Nato-Hauptsitze nicht sein. Das liegt unter anderem an Donald Trump, der gute Chancen hat, 2024 zum zweiten Mal US-Präsident zu werden – und damit das mächtigste Nato-Land zu regieren.
Im Wahlkampf stellt Trump den Kern der Nato in Frage: die Beistandspflicht. Nato-Staaten, die zu wenig für ihre Streitkräfte ausgeben, könnten künftig nicht mehr damit rechnen, dass die USA ihnen im Angriffsfall militärisch zu Hilfe kämen. Zwar geben gerade die baltischen Staaten und auch das benachbarte Polen viel für ihre Verteidigung aus, dennoch sorgten Trumps Worte auch in diesen Ländern für Verunsicherung.
Schliesslich wäre Trump in der 75-jährigen Nato-Geschichte der erste Staatschef, der die Beistandspflicht ausdrücklich in Frage stellt. Und selbst wenn Trump sich als Präsident zur Beistandspflicht bekennen sollte: Das Vertrauen wäre beschädigt.
Das Vertrauen unter den Nato-Staaten
Zumal die Stärke der Nato letztlich ‹nur› auf Vertrauen beruht. Auf dem Vertrauen der Nato-Staaten untereinander, sich militärisch beizustehen. Und vom Vertrauen in die Abschreckungskraft der Beistandspflicht. Dass es also niemand wagen würde, die Nato anzugreifen.
Just die Abschreckungskraft stellen aber mehrere Regierungen und Geheimdienste von Nato-Staaten in Zweifel. Sie warnen vor einem russischen Angriff.
Ein Test für den Zusammenhalt?
Der russische Präsident Wladimir Putin könnte gemäss dieser Szenarien versucht sein, den Zusammenhalt der Nato zu testen. So könnte er im Baltikum ein Gebiet besetzen – um herauszufinden, ob die Nato wirklich geeint gegen die Atommacht Russland in den Krieg ziehen würde. Oder vielmehr im Streit auseinanderbrechen würde.
Zwar hat Putin solche Szenarien stets als lächerlich zurückgewiesen. Doch ebenso hatte er auch stets bestritten, jemals die Ukraine angreifen zu wollen.
Das Bangen um Schwedens Nato-Beitritt dürfte bald zu Ende sein – doch das Bangen um die Zukunft der Militärallianz ist so gross wie nie zuvor.