Eigentlich hätte Afghanistan auf dem Nato-Gipfel in Wales ein einfaches Thema sein sollen: Noch etwas Feinschliff, etwas Detailarbeit. Denn im Grunde war klar: Nach dem Abzug der Kampftruppen Ende Jahr sollten rund 10‘000 Mann als Berater oder Ausbildende im Land bleiben.
Afghanischer Präsident fehlt auf Gipfel
Mit dem neuen afghanischen Präsidenten, dem Nachfolger von Hamid Karzai, wollte man das hier fest vereinbaren. Doch diesen Nachfolger gibt es nicht. Ein afghanischer Präsident fehlt auf dem Gipfel. Ein Desaster sei das, sagt Damon Wilson von der Denkfabrik Atlantic Council.
Denn ohne einen neuen Präsidenten gibt es auch kein Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und der Nato. Ein solches ist aber die Bedingung für einen weiteren, wenn auch begrenzteren Nato-Einsatz am Hindukusch, betont Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.
Nato-Einsatz ungewiss
Rasmussen verhehlt auch nicht, dass die Zeit nun extrem drängt. Für die Nato-Planer ist es eigentlich fast schon zu spät. Es ist ein Unding, keine vier Monate vor dem Einsatz von 10‘000 Mann, noch immer nicht zu wissen, ob dieser Einsatz überhaupt stattfindet.
Zwar beteuert auch Grossbritanniens Premierminister David Cameron auf dem Gipfel, die Nato lasse Afghanistan nicht im Stich. Aber auch er macht Druck auf die Widersacher in Kabul, Aschraf Ghani und Abdullah Abdullah, sich endlich zu einigen. Klar ist: Ohne fortgesetzte Nato-Unterstützung sieht die Zukunft der afghanischen Streitkräfte im Kampf gegen die Taliban und andere Milizen düster aus. Manche Experten fürchten gar eine Implosion von Armee und Polizei.
Nato zwingend für öffentliche Aufmerksamkeit
Dazu kommt: Ohne Nato-Engagement würde das Land bald aus den Schlagzeilen und von der politischen Landkarte verschwinden. Das hiesse: Nicht bloss keine personelle und finanzielle Hilfe von der Nato mehr, vielmehr auch schwindendes Interesse und damit weniger Präsenz privater und öffentlicher Hilfsorganisationen, auf die Afghanistan dringend angewiesen bleibt.