Israels Premierminister Benjamin Netanjahu besucht Moskau. Er trifft dort am Mittwoch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland-Korrespondent David Nauer und Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner erklären, was die beiden Machtmänner vereint – und was sie entzweit.
SRF News: Wie wird Netanjahu von Putin empfangen? Als Freund, strategischer Partner oder jemand, mit dem man halt kutschieren muss?
David Nauer: Die zwei verbindet eine Männerfreundschaft, wie sie Putin gerne mit ausländischen Politikern pflegt, etwa mit Gerhard Schröder oder auch Silvio Berlusconi. Sie sind zudem ähnliche Typen – eher hemdsärmelig. Beide sind schon lange im Politikgeschäft. Sie sind Machtmenschen, denen Resultate wichtiger sind als das strikte Einhalten von Werten.
Es gibt aber Themen wie Syrien, bei denen sich Netanjahu und Putin nicht einig sind. Die Russen und Israel verfolgen dort nicht dieselben Ziele...
In der Tat haben die beiden Länder riesige Differenzen in Syrien. Die Russen sind dort eng mit dem Iran verbündet. Sie sind eigentliche Waffenbrüder, während Israel den Iran aus Erzfeind betrachtet. Russische Experten sagen, dass sich der Kreml in Syrien in eine Zwickmühle manövriert hat. Die Russen setzen ihre Luftabwehr nicht ein, wenn israelische Kampfjets iranische Ziele in Syrien angreifen. Sie lassen sie gewähren, weil sie sich nicht mit ihnen anlegen wollen. Das erbost aber die Iraner und das syrische Regime.
Wie sieht man in Israel das Verhältnis zwischen den beiden Ländern?
Susanne Brunner: Ich kann ein paar Zahlen nennen. So hat zum Beispiel jeder vierte Jude, jede vierte Jüdin in Israel russische respektive sowjetische Wurzeln. Etwa 300'000 Russen pro Jahr besuchen Israel. Die beiden Länder haben gute Wirtschaftsbeziehungen. Und sie haben auch gemeinsame Empfindungen. Sie haben zum Beispiel beide das Gefühl – zum Teil auch zu Recht –, dass sie von aussen belagert werden. Der Kampf gegen den islamistischen Terror verbindet sie. Historisch ist Russlands Kampf gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg wichtig. Die Sowjetunion war auch eines der ersten Länder, das Israel anerkannte. Und in Israel kam sehr gut an, dass Russland vor ein paar Jahren das grösste jüdische Museum der Welt eröffnete.
Was erhoffen sich die Israelis vom Treffen mit den Russen?
Am liebsten eine Garantie dafür, dass der Erzfeind Iran sich nicht in Syrien festsetzen und Israel bedrohen kann. Das ist das, was Netanjahu möchte. Der Iran finanziert auch die Hisbollah-Kämpfer im Libanon, die Israel als grosse Bedrohung für seine Sicherheit empfindet. Diese haben in Syrien an der Seite von Baschar al-Assad und auch mit den Russen gekämpft und sind jetzt erprobte Angriffskämpfer. Sie sind schwer bewaffnet und haben durch ihre Zusammenarbeit mit den russischen Streitkräften Zugang zu Geheimdienstinformationen. Israel will sie also auf keinen Fall in seiner Nähe.
Die Gespräche führte Beat Soltermann.