Die Moderatorin auf dem Nachrichtenkanal wedelt euphorisch mit den Armen. So als habe der Präsident gerade die Lösung für einige von Ägyptens grössten Problemen gefunden. Ganz bedeutende Massnahmen seien getroffen worden, sagt sie dem staunenden Publikum.
Wird also der Notstand aufgehoben, die Repression gegen Regimekritiker zurückgefahren? Darf man sich wieder versammeln, ohne von der Polizei unter Terrorverdacht festgenommen zu werden? Sich kritisch äussern über den Präsidenten auf den sozialen Medien? Greifen endlich die Wirtschaftsreformen?
Nichts von alledem. Pünktlich zum achten Jahrestag des Aufstands auf dem Tahrir-Platz kümmert sich Präsident Sisi um Ägyptens äussere Erscheinung.
Soziale Vorteile?
Ägypten soll einen neuen Anstrich erhalten. Unzählige hässliche Fassaden warten darauf, verschönert zu werden. Überall im Land, und ganz besonders in der Millionenstadt Kairo.
Die Moderatorin streicht die sozialen Vorteile hervor: Die Jugendlichen greifen zum Pinsel. Das gebe Arbeit für abertausende, die sonst nur herumlungern, gibt sie sich begeistert.
Der Präsident der Kommission für die urbane Harmonie, der das Programm umsetzten muss, ist zugeschaltet. Er sieht mehr das Grundsätzliche: Das Erscheinungsbild der Städte ist Ausdruck ihres kulturellen Niveaus. Ägyptens Fassaden sind seine Visitenkarte. Immerhin sieht sich die Nation in der Nachfolge der pharaonischen Hochkultur.
Entsprechend gross der Aufholbedarf. Die Moderatorin sekundiert. Welch lamentables Bild, diese lieblos hingeworfenen Wohnblocks. Sie beleidigen das Auge, mit ihrem unverputzten roten Backstein.
Farbe vor Infrastruktur
Um diese Blocks geht es in Sisis Direktive vor allem. Direktive gegen die optische Verschandelung, heisst sie offiziell. Schön sind sie nicht, aber irgendwie passen die ästhetischen Unmöglichkeiten zu diesem urbanen Moloch, seinem chaotischen Wesen.
Hier finden unzählige Familien ein Dach über dem Kopf, die aus dem Süden des Landes in die Hauptstadt ziehen. Bald hundert Millionen Menschen zählt das Land. Und jedes Jahr kommen zwei Millionen hungrige Mäuler hinzu.
Vielleicht wäre es doch vordringlicher, sich um eine funktionierende Infrastruktur in den Quartieren zu sorgen. Doch der Präsident wünscht sich erst mal einen ordentlichen Neuanstrich.
Erdiges Kairo, blaues Alexandria
Es gibt klar zugewiesene Farbtöne. Erdige für Kairo und die Städte im Süden Ägyptens, bläuliche für Alexandria, die zweitgrösste Stadt, am Mittelmeer. Passend zum Charakter der jeweiligen Wohngegend, sagt der Präsident der Kommission, der sich um den Neuanstrich Ägyptens kümmern soll.
Ein Bezirksgouverneur droht säumigen Häuserbesitzern bereits mit Bussen, wenn sie bis März nicht handeln. Freilich, die Ägypter haben ihre Erfahrung mit grossen Ankündigungen, wissen sie mit Skepsis aufzunehmen, und erst mal abzuwarten.
Und selbst wenn die Direktive gegen die optische Verschandelung Ägyptens Vorstädten zu ungeahntem Glanz verhelfen würde. Es hätte doch etwas Vergebliches. Ein schmales Band entlang des Nils ist gemacht für die Zivilisation. Der Rest Ägyptens ist der Wüste abgetrotzt. Sie ruft sich permanent in Erinnerung.
Auch die schönste Fassade in diesem grossen Land ist nach kurzer Zeit überzogen von einem gräulich-gelben Film aus Sandkörnern, Staub und Schadstoffen. Unweigerlich. Was auch diesen präsidialen Akt bald wieder verblassen lassen dürfte.