Ein Mönch spricht Klartext: «Das gegenwärtige Regime will die Kosovo-Frage mit einer aktiven Gehirnwäsche der serbischen Bevölkerung lösen.» Sava Janjić ist der Abt des serbisch-orthodoxen Klosters von Visoki Dečani. Die Idee einer «Abgrenzung», wie sie der serbische Präsident Aleksandar Vučić vorschlägt, sei eine «geistige und territoriale Amputation.»
Klöster als Erinnerungsort
Sava Janjić setzt sich seit Jahren für den Ausgleich zwischen Serben und Albanern ein – auf allen Kanälen: Meistens über Twitter und Facebook. Sava Janjić, der Cyber-Mönch, ist eine der wenigen, kritischen Stimmen unter den Kosovo-Serben. Die serbischen Tabloid-Medien schreiben deshalb fett gedruckt und mit vielen Ausrufezeichen gegen ihn: Er sei ein Kollaborateur und arbeite seit Jahren mit dem «falschen Thaçi-Staat» zusammen.
Doch Sava Janijć weist bloss auf den inneren Widerspruch einer «Abgrenzung» der serbischen von den albanischen Gebieten hin: Geht der Norden an Serbien, bleiben die orthodoxen Klöster im Staat Kosovo zurück. Sie stehen alle im Süden. Für Serbien Erinnerungsorte an ein mittelalterliches Reich von sagenhafter Grösse, das 1389 mit der Schlacht auf dem Amselfeld unterging: Vergebens warf sich das serbische Heer den heranstürmenden Türken entgegen.
Vielsprachige Gesellschaft in Gefahr
Doch die serbisch-orthodoxe Kultur lebte auch unter osmanischer Herrschaft weiter, bedrängt, aber doch toleriert: Noch heute stehen in Städten wie Prizren Kirchen neben Moscheen, leben Menschen verschiedenster Konfessionen von Islam und Christentum zusammen: Katholiken, Derwische und orthodoxe Priesterschüler. In Orhaovac/Rahovec entstand im Verlauf der Jahre sogar eine Mischsprache aus slawischen und albanischen Elementen, ergänzt mit Worten der Roma-Sprache.
Die Kriege des langen 20. Jahrhunderts vermochten diese vielsprachigen Gesellschaften nicht ganz zu zerstören. Weder der serbische, noch der albanische Nationalismus. Weder der Sozialismus noch das chaotische Wachstum der letzten Jahre. Ganz im Gegenteil hat sich im Süden Kosovos wieder ein Nebeneinander von Serben und Albanern entwickelt, mit zaghaften Versuchen eines Miteinanders: Wie in Orahovac/Rahovec, wo die Winzer ihren Wein gemeinsam produzieren. Oder in Brezovica, wo serbische Hoteliers von albanischen Ski-Touristen leben.
Serben sprechen Albanisch
Seit der Machtübernahme von Aleksandar Vučić hat sich die politische Situation der Serben in Kosovo verändert – insbesondere auch im Süden. Sie sind in die Parteistrukturen der Regierungspartei eingebunden, gleichgeschaltet, die Opposition ist verstummt wie in Serbien selbst. Weder der Direktor des Ski-Centers noch die Leute in der Bar wollen öffentlich über ihre Situation sprechen. Sie sind unter Druck: Nicht von ihren albanischen Nachbarn, sondern von Belgrad.
Die Srpska Lista, die serbische Einheitspartei, kontrolliert hier alles. Wer kritische Gedanken äussert, riskiert wirtschaftliche Nachteile. So bleibt Sava Janjić, der Cyber-Mönch, eine der wenigen kritischen Stimmen der Kosovo-Serben im Süden. Sie empfinden die «Abgrenzung» als «Ausgrenzung». Es kommt ihnen zugute, dass sie sich in den letzten Jahren mit der Situation arrangiert haben – manche von ihnen sprechen sogar Albanisch. Ein Statement der Integration.