30 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl in der Ukraine haben Spezialisten eine gigantische Schutzhülle aus Stahl über die Ruine des ehemaligen Atomkraftwerks geschoben. «Yes, wir haben es geschafft», sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko anlässlich eines Festakts in der Nähe desehemaligen Atomkraftwerks.
Die neue Schutzhülle: Die über 36'000 Tonnen schwere Schutzhülle überdeckt den Beton-Sarkophag, der von der damaligen Sowjetunion nach der Reaktorschmelze vor 30 Jahren errichtet worden war. Die Hülle ist die grösste bewegliche Konstruktion, die jemals von Menschen gebaut worden ist. Die Kosten von mehr als zwei Milliarden Euro wurden vor allem durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aufgebracht.
Strahlenschutz: Mit einem Hydraulik-System wurde die Konstruktion in den vergangenen zwei Wochen auf Spezialschienen über die AKW-Ruine geschoben. Die Abdeckung soll mindestens hundert Jahre halten und radioaktive Strahlung abhalten und den darunter liegenden alten Sarkophag abschotten. Er war nach der Reaktorschmelze 1986 eilig betoniert worden und droht einzustürzen.
Rückbau: In der Konstruktion sind Geräte vorhanden, die einen Rückbau des alten Sarkophags sowie die Aufbereitung der radioaktiven Abfälle ermöglichen sollen. Ausserdem werden noch Messgeräte, ein Belüftungssystem und Brandschutzvorrichtungen eingebaut. Diese technische Ausstattung wird erst Ende 2017 betriebsbereit sein.
Neue Zukunft: Dank dieser Konstruktion werde der Katastrophenort Tschernobyl sicher, sagte der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak: «In naher Zukunft soll eine grosse Fläche des einst verlassenen Territoriums zu einem Zentrum für erneuerbare Energien werden.» In der Energiepolitik wolle die Ukraine ein unabhängiger und ökologisch sicherer Staat werden.
Positive Reaktionen: Man habe nun eine «nukleare Wunde geschlossen», sagte Hans Blix, der ehemalige Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace lobte die neue Hülle, aber der Wettlauf gegen die Zeit sei damit nicht gewonnen, meinte Sprecher Tobias Münchmeyer.
Der GAU von Tschernobyl: Am 26. April 1986 war ein Test im Atomkraftwerk ausser Kontrolle geraten und ein Reaktor explodierte. Eine radioaktive Wolke breitete sich von der Ukraine über Weissrussland und Teile Russlands auch bis nach Westeuropa aus. Bis heute gelten manche Landstriche als radioaktiv verstrahlt. Laut amtlichen Schätzungen starben mehr als 25'000 Menschen, die nach der Katastrophe an Rettungs- und Aufräum-Arbeiten beteiligt waren.
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Bild 1 von 13. Blick in den zerstörten Kontrollraum, in dem sich die Schichtleiter am 26. April 1986 zu einem verhängnisvollen Experiment hinreissen liessen. Sie koppeln die Anlage vom Sicherheitssystem ab. Plötzlich steigt die Leistung des Reaktors massiv an. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. Innerhalb weniger Sekunden kommt es zu zwei Explosionen, das Dach des Reaktorgebäudes wird weggesprengt. Eine kilometerhohe Rauchsäule türmt sich auf und reisst Unmengen radioaktiven Staubes mit sich. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 13. Diese Aufnahme, die unmittelbar nach der Katastrophe gemacht wird, stammt vom Fotografen Anatoliy Rasskazov. Er stirbt 2010 an Krebs. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 13. Eine weitere Luftaufnahme, die das Mass der Zerstörung verdeutlicht. Die Strahlung rund um das Atomkraftwerk erreicht zeitweise das 600'000-fache des normalen Wertes. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 13. Ein Arbeiter überprüft im Steuerungsraum die Strahlenwerte (Juni/1986). Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 13. Viele Schweizer Bauern müssen ihre gesamte Gemüseernte vernichten, wie hier bei der Bäuerin Marie Gasser aus Port (BE). In ihrem Betrieb müssen 13'000 Salatköpfe vernichtet werden, obwohl sie im Gewächshaus gewachsen sind. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 13. Schilddrüsenkrebs, Leukämie, Immundefizite, körperliche Missbildungen: Wie viele Kinder und Jugendliche durch Tschernobyl zu Schaden kamen, wird wohl nie restlos geklärt werden (Aufnahme aus dem Jahr 1994). Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 13. Ein missgebildeter menschlicher Fötus und der deformierte Fötus eines Schweins: Der ukrainische Biologie-Professor Vyacheslav Konovalov will damit die unmittelbaren Folgen des Atom-Unfalls belegen. (Bild: April 2006). Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 13. Ein Jahr nach dem Super-Gau demonstrieren Atomkraftgegner in Bern (25. April 1987). Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 13. Offiziell haben 1986 gegen 50'000 Menschen in Pripjat gelebt, drei Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt. Als man die Stadt Ende April/Anfang Mai räumt, sagt man den Einwohnern, es sei nur für wenige Tage. Verstrahlt ist das Gebiet noch immer. Pripjat wird zur wohl grössten Geisterstadt der Welt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 13. Vor dem 26. April 1986 war hier Kinderlachen zu hören: Verlassener Kindergarten in Pripjat (Archivbild). Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 13. Noch ist die Gefahr nicht gebannt: 200 Tonnen Uran schlummern weiterhin im Innern des Reaktorblocks 4. Der Sarkophag, der 1986 hastig übergestülpt wird, ist instabil und brüchig. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 13. Der Bau der neuen Schutzhülle dauerte Jahre. Im Juli 2019 konnte sie über den alten Sarkophag geschoben werden (Aufnahme von März 2016). Bildquelle: Keystone.