Das Wichtigste in Kürze
- Die Autoindustrie in Mexiko ist vor allem im Bundesstaat San Luis Potosí südlich von Texas angesiedelt. Dort fürchten die Menschen um ihre Jobs, wegen Donald Trumps zukünftiger Industriepolitik.
- BMW will trotz Androhung von Strafzöllen beim Import in die USA in Mexiko ein Werk bauen.
- Macht Trump seine Drohung wahr und weist mexikanische Migranten aus, wird dies für Mexikom zu einem Problem.
SRF News: Im mexikanischen Bundesstaat San Luis Potosí ist die Automobilindustrie stark und ein grosser Arbeitgeber. Was empfinden die Menschen im Hinblick auf Trumps Amtsantritt?
Sandra Weiss: Es ist eine Mischung aus Wut und Trotz. In diesem Bundesstaat ist ein Auto-Cluster entstanden und die Menschen hier haben den Eindruck, dass Trump diesen nun mutwillig zerschlagen will und ihnen ihre Zukunftsperspektiven rauben wird. Andere Mexikaner jedoch sagen: «Mexiko hat schon so viele Krisen überstanden, wir werden auch mit Trump fertig werden».
Die mexikanische Regierung glaubt deshalb, dass es keine Katastrophe wird und dass sie den Ausfall kompensieren kann.
Ist auch Angst vor einem Arbeitsplatzverlust in der Autoindustrie zu spüren?
Ja. Diese Angst gibt es, obwohl es bisher keine Anhaltspunkte dafür gibt. Die Unternehmen haben schon Versammlungen mit ihren Angestellten einberufen und bekannt gegeben, dass sie im Moment keine Entlassungen planen. Es herrscht eine grosse Unsicherheit in San Luis Potosí, weil niemand abschätzen kann, was Trump wirklich machen wird und wie gross der Schaden für den Bundesstaat sein wird. Mexiko wickelt 80 Prozent seines Aussenhandels mit den USA ab, und das sind Abhängigkeiten, die man nicht von heute auf morgen ändern kann.
Dann hat man also die Nachricht nicht wirklich verdaut, dass Ford ein neues Werk nicht in Mexiko bauen wird?
Nein, das ist nicht verdaut. Im Moment ist es so, dass auch BMW ein Werk in San Luis Potosí plant. BMW wurde von Trump auch bedroht, hält aber an seinen Plänen fest. Momentan ist man in diesem Bundesstaat als Deutsche praktisch eine Heldin, weil Deutschland in diesem Streit mit Trump als Alliierter Mexikos betrachtet wird. Die Lage ist aber nicht ganz so dramatisch, weil es neben BMW noch viele andere Unternehmen und Zulieferer gibt, die normal weiterinvestieren. Die mexikanische Regierung glaubt deshalb, dass es keine Katastrophe wird und dass sie den Ausfall kompensieren kann.
Sie sagen, im Bundesstaat San Luis Potosí herrsche Verunsicherung, aber auch Hoffnung. Was überwiegt?
Im Moment ist es so, dass niemand weiss, was passieren wird. Die Unternehmer einerseits haben Ausweichmöglichkeiten zumindest angedacht. Mehr Sorge bereiten andererseits die Migranten. Ein Viertel der Einwohner des Bundesstaats San Luis Potosí sind in die USA ausgewandert.
Die Stimmung in den USA gegen die Migranten ist deutlich negativer geworden.
Ein Migrant, der in den USA lebt und zur Zeit in Mexiko zu Besuch ist, erzählte, er erlebe Aggressionen und Feindseligkeiten. Er fürchtet, dass sich das noch zuspitzen wird, weil Trump das durch seine Art und seinen aggressiven Diskurs legitimiert.
Trump hat ja angedroht, dass er die Mexikaner deportieren will. Das wäre ein Riesenproblem für den Bundesstaat. Selbst wenn nur 100‘000 Mexikaner ausgewiesen würden, was sollen die in Mexiko machen? Wo sind die Arbeitsplätze? Davon gab es früher schon nicht genug.
Das Interview führte Susanne Schmugge.