Die Ereignisse: Der Oberste Gerichtshof der USA ist wieder komplett. Am Freitag bestätigte der Senat mit 54 Stimmen Richter Neil Gorsuch. Die Bestätigung Gorsuchs war aber nur möglich, weil der Senat zuvor die sogenannte «nukleare Option» anwandte. Eine Einschätzung dazu von SRF-Korrespondentin Priscilla Imboden.
SRF News: Der vakante Richterstuhl ist wieder besetzt, wie dringend war das?
Priscilla Imboden: Das war nötig, denn seit mehr als einem Jahr sitzen acht statt neun Richter im US-Bundesgericht. Das hat in mehreren Fällen dazu geführt, dass es zu einer Patt-Situation kam. In diesen Fällen galt dann am Ende jeweils das Urteil der tieferen Instanz.
Die Demokraten blockierten ja die Bestätigung von Gorsuch – heisst das, die «nukleare Option» war notwendig?
Ja, das war sie. Bei der aktuellen Polarisierung im Kongress zwischen Republikanern und Demokraten wäre es für Trump schwierig gewesen, einen Bundesrichter bestätigen zu lassen – egal um wen es sich dabei handelte. An Gorsuchs Kenntnissen zweifelte niemand – der Widerstand der Demokraten erfolgte prakisch nur aus politischen Gründen.
Was sind die Konsequenzen, wenn von nun an eine einfache Mehrheit im Senat reicht, um die obersten Richter zu bestätigen?
Es heisst, dass die Partei, die jeweils an der Macht ist, das US-Bundesgericht bestücken kann, ohne auf die Opposition Rücksicht zu nehmen. Sie wird dann Richter ernennen, die stärker ideologisch ausgerichtet sind. Das dürfte auch zu einer stärkeren Polarisierung und Politisierung des Obersten Gerichtes der USA führen. Das ist nicht förderlich für die Unabhängigkeit der Justiz.
Für die Gesetzgebung gilt nach wie vor das qualifizierte Mehr von 60 Stimmen – wie lange noch?
Das ist die grosse Frage. Senatsführer Mitch McConnell sagte, er rüttle nicht an dieser Regel. Das ist für die Demokraten entscheidend. Denn die Republikaner haben im Senat 52 Stimmen. Dass dort noch 60 Stimmen benötigt werden, um Gesetze zu verabschieden, ist das einzige Mittel der Demokraten, um Gesetzesprojekte der Republikaner zu blockieren.
Die Herabsetzung der Bestätigungshürden im Senat hat eine Vorgeschichte. Stimmt es, dass zuerst die Demokraten die Regeln lockerten?
Ja, das ist wahr. Nach der Wiederwahl von Barack Obama weigerten sich die Republikaner in vielen Fällen, Kabinettsernennungen oder von ihm ernannte Richter zu bestätigen. Mit der Zeit wurde die Liste der Vakanzen sehr lang. Deshalb hat der damalige demokratische Mehrheitsführer im Senat entschieden, die Schwelle für diese Ernennungen herabzusetzen. Er beliess aber für das US-Bundesgericht die Schwelle auf der bisherigen Stimmenzahl von 60.
Der Triumph der Mehrheit ist ja jeweils von kurzer Dauer – nur solange die Mehrheitsverhältnisse gleich bleiben. War das kein Thema diese Woche?
Doch. Auch viele Republikaner beklagten den Entscheid, die Regeln zu ändern – im Wissen, dass die Demokraten in Zukunft davon profitieren könnten. Und sie bedauerten es auch, dass der Senat zunehmend wie das stark polarisierte Repräsentantenhaus funktioniert. Eigentlich galt der Senat immer als gemässigtere Kammer, die ein Garant für Stabilität ist und wo überparteiliche Zusammenarbeit noch möglich sein soll.
Und der Supreme-Court? Wie präsentiert sich dieses Oberste Gericht nun nach der Wahl von Gorsuch?
Neil Gorsuch ist ein konservativer Richter und seine Bestätigung stellt das Gleichgewicht im US-Bundesgericht wieder her: Vier eher konservative Richter, vier eher progressive Richter – und einer, der das Zünglein an der Waage spielt. Das ist wichtig, denn das Gericht, urteilt demnächst mitunter über Trumps Einreisesperre für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern sowie für Flüchtlinge. Dabei ist es wichtig, dass das Oberste Gericht der USA urteilsfähig ist.
Das Gespräch führte Isabel Jacobi.