Nur zwei Tage nach der einseitigen Aufkündigung des Atomdeals hat die US-Regierung am Donnerstag erstmals neue Sanktionen gegen Iran verhängt. Sie werden sich auch auf die Erdölexporte des Landes auswirken. Denn Erdöl sei die Achillesferse der iranischen Wirtschaft, sagt Energieexperte Francis Perrin im Gespräch.
SRF News: Die USA begründen ihre neuen Sanktionen gegen Iran mit der Sicherheit. Welche Rolle hat das Erdöl dabei gespielt?
Francis Perrin: Das Erdöl hat bei dem Entscheid von US-Präsident Donald Trump eine wichtige Rolle gespielt, wenn vielleicht auch nur eine indirekte. Es geht dabei grundsätzlich um einen politischen und strategischen Entscheid – nämlich darum, alles zu tun, um Iran zu schwächen. Und welches ist die beste Waffe, wenn sie ein Land wie Iran schwächen wollen? Es ist keine militärische, sondern eine wirtschaftliche – das Erdöl.
Welches ist die beste Waffe, wenn sie ein Land wie Iran schwächen wollen? Es ist keine militärische, sondern eine wirtschaftliche – das Erdöl.
Iran kontrolliert sehr grosse Erdöl und Erdgas-Reserven. Das Land ist eines der wichtigsten Erdöl- und Erdgasförderer weltweit. Und es ist das Erdöl, das dem Iran weitaus am meisten Einnahmen aus dem Export beschert. Also haben die USA, die Administration Trump beschlossen, Iran ins wirtschaftliche und politische Herz zu treffen.
Das Erdöl ist die wirtschaftliche Schwachstelle von Iran?
Genau. Es ist tatsächlich die Achillesferse der iranischen Wirtschaft, denn das Erdöl generiert etwa 80 Prozent der Exporteinnahmen. Klar führt das Land auch Teppiche, Pistazien und Kaviar aus. Aber das ist nicht mit dem Gewicht zu vergleichen, das das Erdöl in der iranischen Wirtschaft einnimmt.
US-Präsident Trump und einige aus seinem Umfeld, notabene Aussenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton, sind seit langem erklärte Feinde von Iran.
Nun sind US-Präsident Trump und einige aus seinem Umfeld, notabene Aussenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton, seit langem erklärte Feinde von Iran. Ihr Ziel ist die Schwächung des Landes durch harte Wirtschafts-Sanktionen, die jetzt eben auch den Erdölsektor treffen.
Können andere Staaten in Zukunft noch Öl aus Iran kaufen?
Die europäischen Länder und auch die asiatischen Länder, China, Indien oder auch die Türkei haben im Gegensatz zu den USA keine neuen Sanktionen beschlossen. Die europäischen Regierungen haben gesagt: «Es steht ausser Frage, dass wir bei den neuen Sanktionen mitmachen. Denn das Atom-Abkommen mit Iran ist gut, wir möchten es beibehalten.» Sie werden ihren Erdölunternehmen also nicht sagen: «Kauft kein iranisches Öl mehr.» Sie werden auch nicht sagen: «Investiert nicht mehr in den Erdöl- und Erdgassektor. Es geht hier um US-Sanktionen, wir anerkennen sie für unsere Unternehmen nicht an.»
Aber das Problem ist, wenn Sie ein grosses Erdölunternehmen in Europa sind, wissen Sie natürlich auch um den Einfluss und das wirtschaftliche Gewicht der USA weltweit. Sie wissen auch, dass die USA eine Energie-Supermacht sind. Als Chef eines Erdölunternehmens werden sie also die Risiken abwägen. Und so werden die meisten der grossen europäischen Unternehmen sich nicht für Iran und gegen die USA entscheiden, weil das Risiko zu hoch ist.
Die meisten der grossen europäischen Unternehmen werden sich nicht für Iran und gegen die USA entscheiden, weil das Risiko zu hoch ist.
Anders sieht es bei den asiatischen Firmen aus. Das sind häufig staatliche Erdölunternehmen. Aber auch sie werden sich überlegen, was sie tun. Weil es hier um die USA geht. Denn vergessen wir nicht: Die USA haben unter anderem auch Finanzsanktionen verhängt. Diese haben auch Auswirkungen auf die asiatischen Player. Es ist deshalb gut möglich, dass es auch viele asiatische Firmen als zu riskant betrachten, iranisches Öl zu kaufen oder in den Sektor zu investieren. Obwohl die EU und europäische Länder sagen, ihr dürft, ihr habt das Recht. Das Recht ist das eine. Die Politik eine andere. Und Wirtschaft noch einmal etwas anderes.
Wer profitiert, wenn Iran vom Erdölmarkt ausgeschlossen ist?
Einer der grossen Gewinner ist sicher Saudi-Arabien. Nebst Israel waren die Saudis immer die, die das Iran-Abkommen als schlechtes Abkommen bezeichnet haben. Den Iranern, hiess es immer, sei nicht zu trauen. Man müsse also im Gegenteil die Sanktionen und den Druck verstärken. Den früheren US-Präsident Barack Obama haben die Saudis damit nicht überzeugt. Jetzt aber, dank des Entscheids von US-Präsident Trump, sind sie zufrieden, genauso wie die israelische Regierung.
Das Recht ist das eine. Die Politik eine andere. Und Wirtschaft noch einmal etwas anderes.
Für die Saudis gibt es auch einen strategischen Gewinn, genauso wie für Israel. Denn für die Saudis ist Iran der grösste Feind im Nahen Osten. Und dann gewinnen die Saudis auch wirtschaftlich: Die Sanktionen die jetzt von den USA angekündigt wurden, werden erst in etwa drei bis sechs Monaten in Kraft treten. Aber schon die Ankündigung hat dazu geführt, dass der Erdölpreis auf den internationalen Märkten bereits gestiegen ist. Den Saudis spült das also mehr Dollar in die Kasse. Und wenn die Produktion in Iran wegen der Sanktionen zurückgeht, können die Saudis in Zukunft noch mehr Erdöl verkaufen.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.