Kuba schenkt sich eine neue Verfassung. Jene aus der Sowjetzeit soll durch eine modernere ersetzt werden. Der Verfassungstext soll sich – so heisst es aus Havanna – an die wirtschaftliche, soziale und politische Realität auf Kuba und in der Welt anpassen. Inwieweit sich Kuba weiter öffnen wird, weiss der Journalist Oscar Alba.
SRF News: Welche grossen Veränderungen bringt die neue Verfassung?
Oscar Alba: Im Macho-Land Kuba wird künftig die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, zudem wird im Land, in dem seit 60 Jahren die Castros regieren, eine Amtszeitbeschränkung eingeführt. Der Staatschef wird maximal zweimal fünf Jahre im Amt sein dürfen. Ausserdem finden der Privatbesitz und der freie Markt Eingang in die Verfassung – allerdings ist das in beschränktem Masse schon heute erlaubt und damit Realität. Zudem wurde das Wort Kommunismus aus der Verfassung gestrichen.
Vorerst bleibt aber alles beim Alten: Bis 2021 bleibt Raúl Castro Chef der einzigen Partei Kubas.
«Kommunismus» wird zwar gestrichen – das solle aber kein Abschied von der sozialistischen Idee sein. Was ist damit gemeint?
Das weiss in Kuba niemand so genau. Kuba will per Verfassung am Sozialismus festhalten, am Balance-Akt zwischen flexiblem Wirtschafts- und unflexiblem Einparteiensystem soll sich nichts ändern. Deshalb kann man heute noch nicht abschätzen, was die Löschung des Wortes Kommunismus aus der Verfassung bedeutet. Vorerst bleibt aber alles beim Alten: Bis 2021 bleibt Raúl Castro Chef der einzigen Partei des Landes, der kommunistischen Partei.
Was ist mit dem Festschreiben der wirtschaftlichen Öffnung in der Verfassung gemeint?
Zwar steht das künftig in der Verfassung. In der Realität wird es aber vom politischen Willen der Machthaber abhängen, was diesbezüglich geschieht. In den letzten Jahren ging die wirtschaftliche Öffnung bekanntlich nur sehr zögerlich vonstatten, das dürfte sich kaum rasch ändern. Die neue Verfassung ist ein typisch kubanisches Produkt – es wird festgeschrieben, was in den letzten Jahren geschehen ist: Wandel und Kontinuität, wobei die Kontinuität eher mehr Gewicht hat.
Letzten Endes entscheidet ein kleiner Machtzirkel in der Regierung, wie die Dinge laufen.
Wie überraschend kommen die Zulassung der Homo-Ehe und die neue Amtszeitbeschränkung?
Die Amtszeitbeschränkung ist wenig überraschend, Raúl Castro hatte eine solche in den letzten Jahren bereits angekündigt. Eher überraschend ist die gleichgeschlechtliche Ehe, aber sie zeichnet eigentlich nur die gesellschaftliche Öffnung nach, die in den letzten Jahren passiert ist. Kuba bleibt auch so ein Macho-Land, ist aber etwas offener und toleranter geworden.
Nun sollen die Kubanerinnen und Kubaner in öffentlichen Foren über die Verfassung diskutieren, im November soll das Volk darüber abstimmen. Wie frei werden diese Diskussionen sein?
Sie haben Tradition in Kuba. Die Diskussionen finden in Fabriken, Büros und Massenorganisationen statt. Dabei wird erstaunlich offen diskutiert, geredet und auch kritisiert. Am Schluss aber ist es ein kleiner Machtzirkel in der Regierung, die entscheidet, wie die Dinge laufen. Insofern haben diese öffentlichen Diskussionen etwas einen pro-forma-Charakter. Deshalb wird die Verfassung vom Volk sicher angenommen. Offen ist einzig, wie gross die Zustimmung sein wird und wie hoch die Stimmbeteiligung.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.