Mit mehreren Milliarden Dollar will Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern psychisch Kranke unterstützen, die Armut bekämpfen und die Wirtschaft nachhaltiger machen. Das alles steht im neuen Haushaltsplan. Die Investitionen machen durchaus Sinn, findet Australien-Korrespondent Urs Wälterlin.
SRF News: Was halten Sie von Premierministerin Arderns Ankündigungen?
Urs Wälterlin: Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auf dieselbe Stufe wie Erfolg und Wachstum zu stellen. Es ist das erste Budget der westlichen Welt, das das Wohlbefinden der Bevölkerung und nicht nur das wirtschaftliche Wachstum als oberstes Ziel hat. Alle staatlichen Ausgaben werden danach bewertet, ob und in welcher Form sie dazu beitragen.
Wo genau liegen die Schwerpunkte?
Im Bereich der Hilfe für Menschen mit psychischen Problemen. Dafür werden Milliarden budgetiert. Dazu kommt die Reduzierung von Kinderarmut, die Bekämpfung der sozialen wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen der europäisch stämmigen Bevölkerungsmehrheit und den Maori, der Erfolg des Landes im digitalen Zeitalter sowie die Transformation der Wirtschaft in eine emissionsarme und nachhaltige Zukunft.
325’000 Menschen mit psychischen Problemen leben in Neuseeland.
Neuseeland hat im Vergleich zu anderen Industrieländern eine sehr hohe Jugend-Selbstmordrate, fast jedes dritte Kind lebt in Armut und häusliche Gewalt ist ein Problem. Können diese Probleme mit Geld gelöst werden?
Es ist klar, dass verstärkte Hilfe und Unterstützung für Unterprivilegierte langfristig eine gute Investition für ein Land sind. 325’000 Menschen mit psychischen Problemen leben in Neuseeland. Das sind oftmals Leute, die als Folge ihrer Krankheit sozial und berufsmässig nicht mehr mithalten können.
Wir reden von Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung oder auch krankheitsbedingten Ausfällen. Wenn man diese Menschen wieder mobilisiert und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe bietet, werden sie wieder produktiv, arbeiten und konsumieren, was gut für die Gesamtwirtschaft ist.
Die Wirtschaft soll also davon profitieren können?
Die Wirtschaft, vor allem die Landwirtschaft, soll nachhaltiger werden. Die Landwirtschaft als Hauptverursacher vom Klimagasen und Umweltverschmutzung steht hier im Fokus. Arderns Regierung steckt viel Geld in die Erforschung von Möglichkeiten, Emissionen reduzieren zu können, beispielsweise bei den natürlichen Gasen von Kühen.
Der Tourismus lebt vom Image, grün und sauber zu sein, was nicht immer stimmt.
Diese Gase sind extrem klimaschädigend. Neuseeland hat eine umfangreiche Milchwirtschaft, eine Firma ist sogar der grösste Milchproduzent der Welt. Millionen von Kühen stossen jeden Tag ihre Verdauungsgase in die Atmosphäre.
Wird die Zahl der Kühe reduziert?
Das wird kaum möglich sein, weil es ein entscheidender Wirtschaftszweig ist. Viel Geld geht in die Forschung. Beispielsweise soll eine Veränderung der Zusammensetzung der Gräser erreicht werden. Die Gräser sollen das Methangas reduzieren, was noch schlimmer ist als CO2.
Und wie reagiert die Wirtschaft auf diese Vorhaben?
Die Landwirtschaftsindustrie ist die wichtigste des Landes. Unter dem Strich sehen die neuseeländischen Bauern durchaus, dass sie ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Davon profitiert auch der Tourismus, ebenfalls eine wichtige Industrie. Dieser lebt vom Image, grün und sauber zu sein, was aber leider nicht immer stimmt, da Gülle von den Kuhwiesen ins Wasser läuft. 82 Prozent der Flüsse in Landgebieten sind derart verschmutzt und vergiftet, dass man darin nicht schwimmen darf.
Das Gespräch führte Jonathan Fisch.