Es gibt Gründe, die für Volker Türk, den neuen UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, sprechen. Er kennt den UNO-Apparat in- und auswendig. Das ist kein Nachteil, um in der komplizierten Weltorganisation zu navigieren. Seit mehr als 30 Jahren ist er für die UNO tätig. Karriere machte er im Windschatten von Generalsekretär António Guterres. In New York gehörte er als Vizegeneralsekretär zu dessen engstem Kreis.
Niemand spricht dem 57-Jährigen ab, dass er die UNO, deren Charta und deren Prinzipien in seiner DNA hat: «Es ist wichtig, dass die Charta der Vereinten Nationen ein Bekenntnis zum Multilateralismus darstellt», erklärte er vor einiger Zeit in einem ARD-Interview.
Der Optimismus kommt mir nicht abhanden, auch wenn’s schwierig ist.
Trotz angespannter Weltlage, tiefen Gräben zwischen grossen Mächten und einer Vielzahl kriegerischer Konflikte glaubt Türk an jene weltweite, länderübergreifende Zusammenarbeit, für welche die Vereinten Nationen stehen: «Dieser Optimismus kommt mir nicht abhanden, auch wenn’s schwierig ist.»
Dennoch bestehen starke Zweifel, ob der Spitzendiplomat der Richtige ist als oberster globaler Fürsprecher für Menschenrechte. Menschenrechtsorganisationen nehmen es Generalsekretär Guterres übel, dass sie in den Findungsprozess nicht einbezogen worden sind. Kenneth Roth, der langjährige Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sagt: «Volker Türk hat bisher nie bewiesen, dass er ein mutiger Fürsprecher für die Menschenrechte ist.»
Die einzige Macht, die der Hochkommissar hat, ist jene, Missstände öffentlich anzuprangern und so Druck auf die Täter auszuüben.
Seit Jahren wird in der UNO diskutiert, ob der Menschenrechtshochkommissar ein hervorragend vernetzter Ex-Staatschef oder ein Ex-Minister mit besten Kontakten sein soll. Oder aber ein unerschrockener Fürsprecher, der aneckt. Für Roth steht fest: «Diskrete Diplomatie in Peking, Moskau, Teheran, Washington und anderswo bringt nichts. Die einzige Macht, die der Hochkommissar hat, ist jene, Missstände anzuprangern und Druck auf die Täter auszuüben.»
Türk schweigt zu seinen Prioritäten
Als ungeschickt werten manche, wie Volker Türk sein Amt antrat – nämlich zuerst gar nicht. Seine Vorgängerin Michelle Bachelet verliess ihren Posten schon Ende August und hinterliess als letzte Amtshandlung einen brisanten Bericht über die Unterdrückung der Uiguren in China.
Über diesen Bericht wurde in der Herbstsession des UNO-Menschenrechtsrates gestritten. Es wäre Türks Aufgabe gewesen, ihn zu verteidigen. «Er drückte sich darum», bemängelt Roth. Auch Amnesty International, der International Service for Human Rights und die Universal Rights Group äussern sich kritisch.
Zu seinen Prioritäten schwieg Türk bisher. Auf Twitter bleibt er seit seiner Ernennung merkwürdig stumm. Zur Annexion ukrainischer Provinzen oder zu den russischen Attacken auf Städte suchte oder fand er keine eigenen Worte, sondern zitierte lediglich den UNO-Generalsekretär.
Noch hat sich Türk für seinen neuen Posten nicht wirklich qualifiziert. Immerhin schliesst Roth nicht aus, dass ihm das noch gelingt: «Er ist ein kluger Kopf und lernt hoffentlich rasch, dass er entschlossen und unbequem auftreten muss.» Denn letztlich stellt sich stets nicht nur die Frage: Was macht ein Mann aus einem Amt? Sondern ebenso: Was macht ein Amt aus einem Mann?