«Sie haben breite Kenntnisse der Menschenrechte, entwickeln Visionen, können eine komplexe Organisation leiten und stehen voll und ganz zu den Werten der UNO,...» – dann können Sie sich noch bis heute um Mitternacht bewerben. Die Auswahl für den Posten des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte trifft Generalsekretär Antonio Guterres. Die formelle Wahl obliegt der UNO-Generalversammlung.
Spannung steigt
Wer sich beworben hat, ist unbekannt. Genannt werden der Kroate Ivan Simonovic, der Österreicher Volker Turk oder der Senegalese Adama Dieng. Alles verdiente Unokraten, aber der Weltöffentlichkeit kaum bekannt.
Den Spitzenposten zu besetzen, ist äusserst schwierig, nachdem Michelle Bachelet kurzfristig das Handtuch für eine zweite Amtszeit warf. «Ich bin keine junge Frau mehr und möchte zurückkehren in meine Heimat», sagte die frühere chilenische Staatspräsidentin.
Allerdings dürfte die heftige Kritik von mehreren Seiten ihre Entscheidung stark beeinflusst haben: Zu mutlos sei sie oft aufgetreten, finden Menschenrechtsorganisationen. In ihren letzten Amtstagen, steht sie gewaltig unter Druck von China, keinesfalls einen absehbar kritischen Bericht des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte über die Unterdrückung der muslimischen Uiguren zu veröffentlichen.
Die Menschenrechte gehören neben Frieden und Entwicklung zu den drei Hauptpfeilern der UNO. Fortschritte gibt es derzeit kaum, Rückschritte in Dutzenden von Ländern.
Auch der Mutigste verzichtete auf Wiederwahl
Bachelet-Vorgänger Prinz Zeid al-Hussein spricht gegenüber SRF von einem «Zurückdrängen». Der Jordanier gilt als bisher mutigster Amtsinhaber, der auch die Grossmächte scharf kritisierte. «Das mögen sie nicht und verbitten sich jegliche Einmischung», sagt er.
Auch er verzichtete auf eine Wiederwahl. Man hatte ihm signalisiert, er könnte scheitern, weil zu unbequem. Heute sagt der Präsident der UNO-nahen Denkfabrik International Peace Institute: «Bei der Verteidigung der Menschenrechte gibt es nie einen endgültigen Sieg, es bleibt ein ständiger Kampf – einen, in den die UNO weitaus mehr Mittel investieren müsste. Gerade mal drei Prozent des UNO-Budgets fliessen in den Bereich. Allein in der Schweiz wird ein Mehrfaches ausgegeben für Schokolade...»
China und Russland sperren
Menschenrechtspolitik wird immer schwieriger. Zumal die autokratischen Regime und UNO-Vetomächte China und Russland keinerlei Interesse an individuellen Freiheitsrechten haben. Beide engagieren sich gerade in der UNO immer forscher dagegen.
«Auch indem sie dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte Mittel entziehen», sagt Louis Charbonneau von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Zugleich sei das westliche Engagement für die Menschenrechte derzeit eher lauwarm. Zwar bekenne sich etwa US-Präsident Joe Biden verbal klar zu den Menschenrechten. Doch angesichts des Ukraine-Krieges sei im Alltag wieder reine Machtpolitik angesagt. Dies zeigte etwa Bidens jüngster Besuch in der Feudalmonarchie Saudi-Arabien.
Kann sich also UNO-Chef Guterres erlauben, eine mutige Fürsprecherin, einen mutigen Fürsprecher mit starkem Profil auf den Spitzenposten in Genf zu hieven? Braucht es eher eine Kämpferin oder einen Technokraten? All das ist derzeit heftig umstritten.