Ein neuer, weniger martialischer Name, aufgehübschte Statuten, demokratischere Strukturen und ein neues Programm. «Der Front National ist erwachsen geworden. Es ist Zeit zu zeigen, dass aus der Frontal-Oppositions-Bewegung eine Regierungspartei geworden ist», rechtfertigt Marine Le Pen den Namenswechsel von Front National (FN) zu Rassemblement National (Nationaler Zusammenschluss).
Eine Neuausrichtung tut not. Denn die Partei ist weit davon entfernt, die «erste Opposition» im Land zu sein. Die inzwischen noch sechs FN-Abgeordneten im französischen Nationalrat sind weitgehend unsichtbar, zahlreiche auf kommunaler und lokaler Ebene Gewählte kehrten der Partei den Rücken. Und Marine Le Pen ist praktisch von der medialen Bildfläche verschwunden.
Herablassender Auftritt vor Millionenpublikum
Zwar hat es die 49-Jährige geschafft, die Aussenwahrnehmung der Partei zu verändern, den FN als nationalistische Volkspartei zu positionieren und nicht mehr als rechtsextreme, antisemitische Protest-Organisation. Doch die lamentable Vorstellung im Fernsehduell gegen Emmanuel Macron im letzten Frühling ist noch in allen Köpfen.
Ihr fahriger und herablassender Auftritt vor Millionenpublikum hat selbst treue Anhänger traumatisiert und führte zu grossen internen Spannungen, was nach aussen wirkt: Laut einer Umfrage der Zeitung «Le Monde» verlor die Partei an Rückhalt. Nur noch 24 Prozent der Franzosen unterstützen die rechtsextremen Ideen. Marine Le Pen selbst, vor einem Jahr noch ganz nah an der Macht, sackte in der Wählergunst der Franzosen auf 17 Prozent ab.
Wie will Marine Le Pen eine neue Dynamik auslösen?
Die Namensänderung ist symbolisch. Marine Le Pen kappt damit die letzten Verbindungen zu ihrem rechtsextremen Vater Jean-Marie Le Pen, der den Front National vor 46 Jahren gegründet hat. Mit der Statutenänderung wurde sein Amt des Ehrenpräsidenten abgeschafft.
Das bisherige Zentralkomitee der Partei wird basisdemokratischer und zu einem eigentlichen Nationalrat umgeformt. Das neue Parteiprogramm setzt weiter auf die Pfeiler Identität und Sicherheit. Doch wie erfolgversprechend ist ein weichgespülter FN?
Marine Le Pen hat aus Fehlern gelernt, sie will nicht mehr aus der Eurozone austreten, der Frexit ist kein Thema mehr, und sie argumentiert weniger aggressiv als auch schon. Doch wenn auch einzelne Programmpunkte weniger hart formuliert werden ist die Ideologie dennoch dieselbe geblieben. Es geht weiter um eine harte Linie in der Migrations- und Sicherheitspolitik, um den Kampf gegen Europa und gegen das «Establishment», um mehr oder minder unverhohlenen Rassismus und Ausgrenzung.
«Seid stolz darauf!»
In dem Marine Le Pen die Partei aus der politischen Schmuddelecke führt und auf Regierungsfähigkeit trimmt, hofft sie, attraktiv für Allianzen und Bündnisse mit Bewegungen aus dem rechten Spektrum zu werden.
Mit diesen Bestrebungen kontrastiert der Auftritt von Überraschungsgast Steve Bannon, in Ungnade gefallener Chefberater von US-Präsident Donald Trump. Seine kruden Äusserungen – «wenn ihr als Rassisten und Xenophobe bezeichnet werdet, seid stolz darauf!» fielen bei den Front National-Anhängern am Samstag auf fruchtbaren Boden.
Ist Marine Le Pen noch die richtige Person?
Marine Le Pen ist mangels Gegenkandidaturen als Parteichefin bestätigt worden und verfügt in der Basis immer noch über grossen Rückhalt. Intern aber ist die 49-Jährige nicht unumstritten. Sie selbst erklärte, sie wolle dieses Amt nicht bis 90 ausüben. «Wenn die Anhänger der Meinung sind, dass es jemand anders besser machen könnte als ich, dann mache ich Platz, damit habe ich kein Problem», versicherte sie in einem Interview.
Nicht ausgeschlossen, dass dereinst ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen in ihre Fussstapfen tritt. Sie hatte sich nach der Niederlage im Präsidentschaftswahlkampf aus der Politik zurückgezogen, um sich ihrer dreijährigen Tochter zu widmen. Doch eines darf man nicht vergessen: Der FN ist und bleibt ein Familienunternehmen. Eines, das vorab der Bereicherung der Familie Le Pen dient.