Im Vorarlberger Landtag war am Montag viel darüber zu hören, wie unlautere Machenschaften oder gar Korruption im Umfeld der konservativen Volkspartei ÖVP funktioniert haben sollen.
«Der Herr Kessler hat ein zinsloses Darlehen in Höhe von 240'000 Euro von der ÖVP erhalten – um ein bisschen in Immobilien zu investieren und sich selber eine goldene Nase zu verdienen», nannte Eva Hammerer von den Grünen ein Beispiel.
Herr Kessler hat ein zinsloses Darlehen in Höhe von 240'000 Euro von der ÖVP erhalten – um sich mit Immobilien eine goldene Nase zu verdienen.
Dieser Herr Kessler leitete den ÖVP-nahen Wirtschaftsverband, den sogenannten Wirtschaftsbund. Und über diesen soll er sich, notabene zinsfrei, beinahe eine Viertelmillion Euro zugeschanzt haben.
Wer nicht mitmacht, erhält keine Aufträge
Gerfried Thür von den liberalen Neos nannte ein weiteres Beispiel für anrüchiges oder gar illegales Verhalten: «Ein Unternehmer hat mir erzählt, er habe keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten, nachdem er aus dem Wirtschaftsbund ausgetreten war.»
Dieser Vorwurf heisst im Klartext: Nur Unternehmer, die dem ÖVP-nahen Wirtschaftsbund Beiträge zahlen, erhalten staatliche Aufträge der ÖVP-geführten Landesregierung.
Die Liste der von Medien und der Opposition vorgetragenen Vorwürfe ist lang:
- Der Wirtschaftsbund und damit indirekt die ÖVP hätten Steuern hinterzogen.
- Die ÖVP oder ihr nahestehende Organisationen hätten Geld ohne Belege ausbezahlt.
- Der deftigste aller Vorwürfe: der langjährige Regierungschef von Vorarlberg, Markus Wallner, sei direkt in solche Machenschschaften verwickelt.
Der Stuhl des Regierungschefs wackelt
Wallners Stuhl wackelt bedrohlich. Doch der Landeshauptmann wies am Montag alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück: «Da ist nichts von mir unterschrieben, angeschafft oder entschieden worden.»
Von mir ist nichts unterschrieben, angeschafft oder entschieden worden.
Er persönlich habe also nichts Krummes getan. Ob das aber auch für seine Partei zutrifft oder für Organisationen, die mit seiner Partei verbandelt sind, das liess der Landeshauptmann freilich offen.
Man bedient sich ungeniert selbst
Damit zeigt sich einmal mehr ein düsteres Sittenbild: Die Vorarlberger ÖVP soll sich wie die nationale Partei unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz ungeniert selbst bedient haben. Noch ist nichts bewiesen.
Aber es ist viel belastendes Material ans Tageslicht gekommen. Und die Republik fragt sich einmal mehr, was man tun müsste, um Abhilfe zu schaffen.
Eine Antwort kommt von der Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle: Es brauche «saubere Regelungen der Parteienfinanzierung, wirksame Strafen und wirksame Kontroll- und Einsichtsrechte».
Andere Fachleute sagen: Was heute in Vorarlberg ans Tageslicht kommt, hätte man noch vor ein paar Jahren stillschweigend unter den Teppich gekehrt. Das sei nun nicht mehr möglich und das sei ein Fortschritt.
Wer glaubt noch den Politikern?
Allerdings: Die Häufung der Skandale, die die ÖVP, aber auch die FPÖ oder die Sozialdemokraten betreffen, nagen an der politischen Glaubwürdigkeit.
Vorarlbergs Landseshauptmann Wallner wies heute die Rücktrittsforderungen der Oppositionsparteien zurück, denn er selbst habe ja nie etwas Krummes gemacht.
Doch wenn dem so ist, dann könnte ihn bald der Vorwurf treffen, dass er in seinen mehr als zehn Amtsjahren nicht gemerkt hat, welch unlautere Machenschaften unter seiner Führung in Partei und Umfeld gang und gäbe waren.