Nach monatelanger Blockade haben sich die vier bisherigen Regierungsparteien der Niederlande auf einen neuen Koalitionsvertrag geeinigt. Regierungschef bleibt Mark Rutte von der bürgerlich-liberalen «Volkspartij voor Vrijheid en Democratie» (VVD). Das Programm wollen Liberale, Linksliberale, Christdemokraten und die bibeltreue Christen-Union am Mittwoch präsentieren, doch einiges ist schon bekannt.
Klima-Projekte und Wohnungsbau
Eine Hauptrolle wird dabei die Umwelt spielen, sollen doch Milliarden in Klima-Projekte und den nachhaltigen Wohnungsbau fliessen. Wie viel die Viererkoalition genau investieren will, ist noch nicht bekannt, wie SRF-Mitarbeiterin Elsbeth Gugger in Amsterdam erklärt.
Zugleich soll nun die Stickstoffkrise endlich wirkungsvoll in Angriff genommen werden, in deren Folge das oberste Verwaltungsorgan im letzten Jahr fast 20'000 Bauprojekte stilllegen liess.
Kommt das Mobility Pricing?
Eine andere – sehr umstrittene – Umweltmassnahme, die sich die neue Regierung offenbar vorgenommen hat, ist das Mobility Pricing. Das Projekt für eine Gebühr zur Strassenbenutzung bei Stosszeiten hatte bisher keine Mehrheiten gefunden.
Milliarden sollen sodann in die Kinderbetreuung fliessen. Dies auch im Licht des Kindergeld-Skandals, für den die Regierung im letzten Januar frühzeitig abtreten musste.
Der Kindergeld-Skandal
Es geht dabei um rund 40'000 Eltern, die grösstenteils zu Unrecht beschuldigt wurden, während Jahren Kinderzulagen veruntreut zu haben. Nun will die neue alte Regierung ein Zeichen setzen und offenbar gewährleisten, dass Kinder grösstenteils gratis in die Kitas können.
Der Skandal ist damit aber nicht aus der Welt geschafft. Denn viele Familien wurden mit Rückzahlungsforderungen von zehntausenden Euro in den Ruin gestürzt, und viele warten weiterhin auf Kompensation.
Warum dauerte es so lange?
Das lange Ringen um eine Mehrheit für ein neues Programm hängt unter anderem damit zusammen, dass das 150-köpfige Parlament mittlerweile 20 Fraktionen umfasst. Dazu kam die starre Haltung einzelner Parteien: So wollten etwa Liberale und Christdemokraten nicht mit Sozialdemokraten und Grünen regieren.
Die Linksliberalen wiederum wollen nicht mit der Christen-Union zusammengehen. Ins Rollen kamen die Verhandlungen nur, weil die Linksliberalen im Oktober über ihren Schatten sprangen und nicht mehr a priori gegen eine Regierungsbeteiligung der Christen-Union waren.
Ein umstrittenes Gesetz
Es geht dabei um ein wichtiges linksliberales Wahlversprechen für ein Gesetz, das die Hilfe bei Selbsttötung erlauben soll und das die Christen-Union strikt ablehnt. Das Gesetz ist für ältere Menschen gedacht, die weder krank sind noch unerträglich leiden, aber ihr Leben als vollendet betrachten.
Ihnen darf jetzt in den Niederlanden niemand helfen. Umfragen zeigen immer wieder, wie gross das Bedürfnis für ein solches Gesetz ist. Inwiefern und ob die Parteien hier einen Kompromiss gefunden haben, ist nicht klar.
Start im Januar
Heute lesen sich nun die Fraktionen in die neue Regierungserklärung ein. Am Mittwoch wird sie veröffentlicht. Dann beginnt für Premier Mark Rutte voraussichtlich die Suche nach geeigneten Regierungsmitgliedern.
Die Anzahl soll um sechs auf 30 erhöht werden, damit nicht wieder Magistraten wegen Burnouts abtreten müssen. Insgesamt sollen sich 20 Ministerinnen und zehn Staatssekretäre um die Regierungsgeschäfte kümmern. Das neue Kabinett wird wahrscheinlich in der zweiten Januarwoche vereidigt.