Stolz präsentiert Mina an der Haustiermesse in Tokio ihren tibetischer Löwenhund. Halsband, Mütze, Mäntelchen mit eingenähter Hundeleine und Reflektor. Hat der Kleine Durst, drückt Mina auf eine Plastikflasche am Wagen, in dem es sich das Fellknäuel gemütlich gemacht hat.
Für die 36-Jährige sind Kinder kein Thema, weil der Partner fehlt, erzählt sie der deutschen «Tagesschau»: «Ich bin nicht verheiratet, und deshalb habe ich auch keine Kinder», sagt Mina. «Aber natürlich ist ein Kind auch aufwändiger als ein Haustier.»
Im konservativen Japan werden Alleinerziehende nach wie vor beäugt. Auch finanziell haben sie es schwer. Zudem wird von Frauen oft erwartet, ihren Job aufzugeben, wenn sie Kinder bekommen. Die jüngeren Generationen sind immer seltener bereit dazu.
Mit ihrer Sicht der Dinge ist Mina nicht alleine: Immer mehr Menschen in Japan entscheiden sich eher für ein flauschiges Haustier als für ein Kind.
Viele der Besitzer in Japan sehen das Haustier als Familienmitglied an.
Barbara Holthus untersucht die Rolle der Haustiere in der japanischen Gesellschaft am deutschen Institut für Japanstudien in Tokio. «Viele der Besitzer in Japan sehen das Haustier als Familienmitglied an», sagt die Soziologin.
Auch beim Tierarztbesuch wird klar, dass Hund und Katze fast schon wie Kinder behandelt werden. «Dort wird man vom Tierarzt als ‹Mutter› des Haustiers angesprochen.»
Regierung will Geburtenrate erhöhen
Im Inselreich leben rund 125 Millionen Menschen und etwa 16 Millionen Haustiere. Dagegen gibt es nur rund 15 Millionen Menschen unter 15 Jahren. Gerade in der Einsamkeit der Pandemie hätten sich vermehrt auch junge Männer ein Haustier zugelegt, sagt die deutsche Soziologin.
Auch wenn dies in japanischen Single-Haushalten aufgrund der engen Wohnverhältnisse oft schwierig ist – oder weil es die Vermieter grundsätzlich verbieten.
Seit den 1970er-Jahren sinkt die Geburtenrate in Japan – sehr zur Sorge der japanischen Regierung. Sie will bis Juni einen Plan vorlegen, wie wieder mehr Kinder auf die Welt kommen sollen.
Prekäre Wirtschaftslage
Der Haustier-Boom in Japan könnte sich jedoch wieder abschwächen. Denn monatlich geben ihre Besitzer umgerechnet zwischen 70 und 100 Franken für Hund oder Katze aus. Nicht alle können oder wollen sich das leisten. Pandemie, Krieg und Inflation haben die ohnehin schwierige Wirtschaftslage im Land zusätzlich verschärft.
«Ich fürchte, dass sich die Zahl der Haustiere und auch der Kinder in den nächsten Jahren noch verringern wird», so die ernüchternde Prognose der Japan-Expertin.