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Jasr Kawkby: «Ich lebe in ständiger Trauer und Angst»
Aus Club vom 28.05.2024.
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Noch Hoffnung im Nahen Osten? Palästinensischer Kinderarzt: «Empathie ist die Lösung»

Jasr Kawkby stammt aus dem Gazastreifen und hat Angehörige und Bekannte, die in der umkämpften Stadt Rafah leben. Trauer und Angst seien seine ständigen Begleiter im Alltag, erzählt er im «Club».

Jasr Kawkby

Kinderarzt

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Jasr Kawkby ist im Gazastreifen geboren, hat in Deutschland Medizin studiert, in England gelebt und arbeitet heute als Kinderarzt in Zürich. Er ist Mitglied der Organisation Palästina Solidarität Schweiz (PSS).

SRF News: Vor wenigen Tagen hat die israelische Armee ein Flüchtlingslager in Rafah bombardiert. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie dies sehen?

Jasr Kawkby: Seit dem 7. Oktober lebe ich in einem ständigen Zustand von Trauer. Trauer um meine Lieben, die ich verloren habe, Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen. Aber nicht nur Trauer, sondern auch Angst, Angst um diejenigen, die noch am Leben sind. Für viele von ihnen ist Rafah der vierte Zufluchtsort. Ich weiss nicht einmal, ob sie noch am Leben sind.

Mindestens vierhundert medizinische Fachleute sollen bei den Angriffen der israelischen Armee bisher getötet worden sein. Wie ist denn die Lage in den Spitälern im Gazastreifen?

Für mich als Arzt, besonders als Kinderarzt, ist es wichtig zu sagen, wie alle roten Linien überschritten wurden in diesem Krieg. Krankenhäuser galten immer als Zufluchtsorte, in Gaza hat sich das geändert, Menschen werden dort erschossen und bombardiert. Ich kenne persönlich Ärzte, die die Befehle der israelischen Armee, das Spital zu evakuieren, nicht befolgt haben.

Diese Ärzte sind meine wahren Helden.

Sie sind geblieben aus Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Patientinnen und Patienten und haben dafür mit ihrem Leben bezahlt. Sie sind meine wahren Helden, aus denen ich Kraft und Inspiration schöpfe.  

Eine Frau mit einem Kind im Arm spricht mit einer Ärztin.
Legende: Eine Ärztin kümmert sich um ein verletztes Kind im Nasser-Spital Chan Yunis im südlichen Gazastreifen im Januar 2024. REUTERS / Ahmed Zakot

Das Vorgehen der israelischen Armee schürt Hass und Verzweiflung bei der palästinensischen Bevölkerung. Wie gehen Sie damit um?

Für mich ist es ein Grundsatz, dass ich die Empathie wahren will. Rachegefühle sind natürliche Reaktionen, doch sie helfen uns nicht weiter. Man blockiert damit den Weg zu einer Lösung. Darum dreht sich die Spirale der Gewalt weiter.

Empathie ist die Lösung.

Um das zu durchbrechen und unseren Nachkommen Frieden zu ermöglichen, müssen wir anfangen, den Dialog zu finden. Erst wenn beide Seiten das Leid der jeweils anderen anerkennen, dann kommen wir weiter. Empathie ist die Lösung.

Der Internationale Strafgerichtshof hat Antrag auf Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Galant gestellt. Wie kommt das bei Ihnen an?

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn sie haben so viele rote Linien überschritten, die Hemmschwelle für alle Tyrannen in der Welt gesenkt, diese schauen zu und mögen, was sie sehen. Nur schon darum muss sich die internationale Gemeinschaft dem entgegenstellen und zeigen, dass das nicht akzeptabel ist.

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Jasr Kawkby: «In diesem Krieg wurden viele rote Linien überschritten»
Aus Club vom 28.05.2024.
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Zudem ist es enorm wichtig, um damit den Anreiz für bewaffneten Widerstand wegzunehmen. Es zeigt den Palästinenserinnen und Palästinensern, die gewaltfrei für ihre Rechte einstehen, dass es Wege gibt. Dass es möglich ist, ohne Gewalt zu seinem Recht zu kommen. Und es stützt diejenigen Menschen in Israel, die gegen diesen Krieg, gegen Gewalt sind. Sollte es wirklich so weit kommen, dass Netanjahu vor Gericht kommt, wäre dies eine unglaubliche Erleichterung.

Das Gespräch führte Anna Gossenreiter.

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Naher Osten: Gibt es noch Hoffnung?
Aus Club vom 28.05.2024.
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Club, 29.05.2024, 22:30 Uhr ; 

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