Das neuste Sanktionspaket inklusive Öl-Embargo hätte gar nicht auf der Agenda dieses Sondergipfels stehen sollen. Die Staats- und Regierungschefs und Chefinnen wollten eigentlich über die hohen Energiepreise und die gemeinsame Verteidigungspolitik sprechen. Wäre da nicht der ungarische Ministerpräsident, der er schafft, mit seiner Vetoposition das Embargo abzuschwächen und die Einheit der Mitgliedstaaten gegenüber Russland ins Wanken zu bringen.
Die EU-Kommission hat zu wenig sondiert
Es sah eigentlich ziemlich gut aus für das neuste Sanktionspaket. Nachdem Deutschland seine Blockadehaltung für ein Öl-Embargo aufgegeben hatte, verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Vorschlag eines Öl-Embargos vor gut einem Monat. Es wurde bereits berücksichtigt, dass es für Ungarn und die Slowakei Sonderregeln braucht, da beide Staaten stark von russischem Öl abhängig sind. Von der Leyen ging wohl davon aus, dass sie durch diese Ausnahmen die Zustimmung der beiden Mitgliedstaaten kriegt. Nur, da hat die Kommissionspräsidentin die Rechnung ohne Viktor Orban gemacht. Oder anders gesagt: Die EU-Kommission hat zu wenig bei den Mitgliedstaaten sondiert, inwiefern ein Öl-Embargo überhaupt realistisch ist.
Währenddessen direkt betroffene Staaten wie die Slowakei oder Tschechien eher diskret versuchen, die Sonderregeln zu ihren Gunsten anzupassen, nutzt der ungarische Ministerpräsident die öffentliche Bühne. Er zeigt seine Machtposition gegenüber der Europäischen Kommission, in dem er stets noch weitere Ausnahmen und viel Geld für neue Infrastruktur fordert. Er provoziert mit diesen Forderungen und seiner Vetoposition die EU-Kommission, die ihm seit Monaten die Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, wegen Korruptionsvorwürfen, nicht überweisen möchte. Um aber die Einheit der EU nicht zu stark zu gefährden, kann von der Leyen gar nicht anders, als auf seine Forderungen einzugehen und weitere Zugeständnisse bei einem nun sehr abgeschwächten Öl-Embargo zu machen.
Nationale Interessen werden wichtiger
Die langwierigen Verhandlungen und Sonderregelungen bezüglich dieses Öl-Embargos zeigen, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalstaatlichen Interessen wieder in den Vordergrund rücken. Ein einheitliches Auftreten gegenüber Moskau ist zwar wichtig, die eigene Bevölkerung nicht gegen sich aufzubringen aber noch wichtiger. Und wenn es schon bei einem Öl-Embargo schwierig ist, einen Kompromiss zu finden, dann wird es bei einem möglichen Gas-Embargo noch schwieriger werden. Mit abgeschwächten Sanktionen wird es schwierig werden, Putin wirklich in Bedrängnis zu bringen.