Seit drei Monaten werden an Brasiliens Nordostküste Ölklumpen angeschwemmt. Ursache: unklar. Umweltverbände und die lokale Bevölkerung werfen der Regierung Untätigkeit und Versagen vor.
Am Wochenende nun hat sich Präsident Jair Bolsonaro immerhin alarmiert über die Ölpest gezeigt. Damit mache Bolsonaro aber vor allem Politik, sagt SRF-Korrespondent Ulrich Achermann.
SRF News: Was weiss man inzwischen über die Ölkatastrophe?
Ulrich Achermann: Immer noch viel zu wenig. Morphologische Tests haben ergeben, dass es sich um venezolanisches Öl handeln muss. Dieses ist besonders schwer, zähflüssig und enthält viel Schwefel.
Es ist völlig unklar, wie viel Öl ausgelaufen ist.
Die brasilianische Regierung macht einen griechischen Tanker für die Ölpest verantwortlich, was die betroffene Reederei zurückweist. Völlig unklar ist, wie viel Öl ausgelaufen ist und ob davon noch mehr an die Küste angeschwemmt werden wird. Jetzt hat Präsident Bolsonaro die Sache zur Staatsaffäre gemacht und gesagt, das Schlimmste komme noch.
Experten sprechen von der bislang schwersten Umweltkatastrophe im Nordosten Brasiliens. Was weiss man über das Ausmass der Verschmutzung?
Nur wenig. So ist ungewiss, ob das Schlimmste schon vorbei ist. Auch sind die Auswirkungen auf Flora und Fauna unklar, bislang wurden einige ölverschmierte Schildkröten gesichtet. Die Ölpest stellt sich anders dar als andere Ölverschmutzungen im Meer.
Von der Ölverschmutzung sind beliebte Badestrände betroffen.
So ist kein Ölteppich auf der Wasseroberfläche zu sehen, das Öl wird in Klumpen an den Strand geschwemmt. Dort müssen sie von Hand oder mit Werkzeugen entfernt werden. Die ansässigen Leute sind verunsichert, denn betroffen sind beliebte Touristen- und Badestrände. Angesichts der anstehenden Sommersaison befürchten sie, dass das Tourismusgeschäft einbrechen könnte.
Stimmen die Vorwürfe von Umweltorganisationen, die Regierung habe gegen die Ölpest bislang nichts unternommen?
Es sind immerhin rund 3000 Soldaten im Einsatz – allerdings in einem betroffenen Küstenabschnitt, der mehr als 2000 Kilometer lang ist. Auch die Kriegsmarine ist mit Helikoptern und Flugzeugen in der Luft, um das Ausmass der Verschmutzung abzuschätzen. Insgesamt allerdings ist der Aufwand bescheiden, den die Regierung betreibt. Dies vor allem auch angesichts der neusten Warnung Bolsonaros, das Schlimmste sei noch nicht ausgestanden.
Wieso macht Bolsonaro die Ölpest erst jetzt zur Staatssaffäre?
Bei Bolsonaro ist nie so ganz klar, was er warum macht. Er hat für seine Prophezeiung, das Schlimmste komme erst noch, auch keine Quelle angegeben. Möglicherweise verfügt er tatsächlich über mehr Informationen als die Öffentlichkeit. Doch womöglich kommt dem politisch sehr weit rechts stehenden Bolsonaro auch bloss gelegen, dass er mit der Ölpest auf Venezuela schiessen und die bösen Kommunisten für die Ölpest verantwortlich machen kann.
Die Bevölkerung in der betroffenen Region wählt links – das passt Bolsonaro natürlich nicht.
Macht Bolsonaro mit der Ölkatastrophe also Politik?
Ja. Er braucht die Ölpest einerseits als Speerspitze gegen die verhasste Regierung Venezuelas, aber auch gegen die im Nordosten Brasiliens ansässige Bevölkerung. Denn es ist die einzige Region, in der Bolsonaro bei der Präsidentenwahl nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten hat. Die dortige Bevölkerung wählt weiterhin links. Das passt Bolsonaro natürlich nicht.
Das Gespräch führte Marlen Oehler.