Wer sich mit der UNO befasst, braucht ein bisschen Optimismus. Davon ist Richard Gowan von der International Crisis Group überzeugt: «Sonst fällt man in eine Depression.» Doch selbst mit Optimismus fällt es dem langjährigen UNO-Fachmann zurzeit schwer, dem UNO-Sicherheitsrat – immerhin dem potenziell mächtigsten UNO-Organ – Positives abzugewinnen.
Häufig könne sich das Gremium nicht einmal auf eine Presseerklärung einigen, geschweige denn auf konkrete Massnahmen.
Die syrische Bevölkerung ist für Gowan das grösste Opfer der Blockade im Sicherheitsrat – und das seit Jahren. Inzwischen versuche kaum noch jemand ernsthaft, eine Lösung zu erreichen. Und ganz generell stellt Gowan eine «Blauhelm-Müdigkeit» fest, bei vielen Ländern, die zögerten, neue Einsätze für Friedenstruppen vorzusehen.
Handlungsunfähiger Sicherheitsrat
Gowan sieht zwei Gründe für die aktuelle Lähmung: Erstens die Feindseligkeit zwischen den USA, China und Russland. Wenn die Grossmächte nicht zusammenarbeiten wollen, wird der Sicherheitsrat handlungsunfähig. In der Ukraine blockiert Russland praktisch alles, in Burma ist es China, im Israel-Palästina- oder im Jemen-Konflikt sind es die USA.
«Sobald die Interessen einer Grossmacht auf dem Spiel stehen, tut sich die UNO enorm schwer», sagt Gowan. Dazu kommt: Seit Donald Trump Präsident ist, versuchen die USA die Rolle der UNO einzuschränken – nicht zuletzt, indem sie ihr finanziell Handschellen anlegen.
Sobald die Interessen einer Grossmacht auf dem Spiel stehen, tut sich die UNO enorm schwer.
Auch die Tatsache, dass Washington nun ein Dreivierteljahr nicht mal einen UNO-Botschafter hatte und nun mit Kelly Craft eine Frau ohne jedes politische Gewicht und fast ohne aussenpolitische Erfahrung einsetzt, sei ein deutliches Signal.
Zwar suche Trump im Fall Iran nun die Unterstützung der Weltgemeinschaft für Schritte gegen Teheran. Doch selbst bei den Alliierten der USA wie Grossbritannien oder Deutschland sei inzwischen das Misstrauen gegenüber dem Weissen Haus so gross, dass sie sich nicht vor den US-Karren spannen lassen.
UNO-Generalsekretär Guterres hat bisher enorm Zeit und Energie darauf verwendet, zu verhindern, dass die USA die UNO gleich mit der Abrissbirne traktieren
Die Situation ist also verfahren. Und frustrierend auch für UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Er war für seinen Posten besser qualifiziert als die meisten seiner Vorgänger. Er wollte zupacken, hatte Grosses vor.
Aber er hat sein Amt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt angetreten und stösst überall an Grenzen. «Guterres hat bisher enorm Zeit und Energie darauf verwendet, zu verhindern, dass die USA die UNO gleich mit der Abrissbirne traktieren», so Gowan. Doch er betont: Wer die UNO gleich ganz abschreibe, gehe zu weit.
Kleine Feuer löschen
Sie könne durchaus noch Sinnvolles tun und tue das auch – aber im Schatten der Schlagzeilen. Dort, wo es nicht um Macht und Prestige der Grossmächte gehe. In Konflikten wie in Zentralafrika oder im Kongo. Bei der humanitären Versorgung im Jemen. Beim politischen Übergang im Sudan.
Gowan sieht gar neue Aufgaben, derer sich die UNO annehmen könnte: In Afghanistan, wenn es, so hofft er, bald darum gehe, die zerstrittenen Akteure im Land selber zusammenzubringen. Oder im Jemen Brücken zwischen den Widersachern zu bauen. Oder in Venezuela eine Versöhnung zu erwirken. An Aufgaben fehlt es nicht. Auch nicht an Kompetenzen.
Überall dort, wo es darum gehe, kleine Feuer auszulöschen, könne die UNO etwas beitragen. Was aber zugleich heisst: Grosse Würfe, ja Durchbrüche sollte man einstweilen nicht erwarten.