Unmittelbar nach dem Nato-Gipfel in Washington hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump besucht. Orban veröffentlichte auf X ein Foto des Treffens und schrieb: «Wir haben über Wege zum #Frieden diskutiert. Die gute Nachricht des Tages: Er wird es lösen!». Die beiden Rechtspopulisten pflegen ein sehr freundschaftliches Verhältnis.
Orban hatte sich vor dem Nato-Gipfel in Washington mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, zuvor in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin, in Peking mit Chinas Staatschef Xi Jinping und in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski getroffen. Auch bei diesen Besuchen sei es um eine Friedenslösung in der von Russland angegriffenen Ukraine gegangen.
Auf selbsternannter «Friedensmission»
Die Treffen dürften westliche Verbündete weiter frustrieren. Denn seit Ungarn Anfang Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, ist Ministerpräsident Viktor Orban unterwegs. Aber die im Rahmen seiner als «Friedensmission» inszenierten Staatentour führt der ungarische Regierungschef in Eigenregime durch.
Viktor Orban hat gemerkt, dass sich die EU-Spitze von ihm fast alles bieten lässt. Also spielt er weiter den starken Mann – um in Ungarn an der Macht zu bleiben.
«Viktor Orban erhält für seine Reisen viel Aufmerksamkeit. Und versucht damit zu überspielen, wie viel Einfluss er in Europa in den letzten Jahren verloren hat», ordnet Osteuropa-Korrespondent Peter Balzli ein.
«Der Rechtsrutsch bei den Europa-Wahlen im Juni fiel schwächer aus, als von ihm erhofft. Auch im eigenen Land hat Orban seither plötzlich Konkurrenz. Aber: Er hat gemerkt, dass sich die EU-Spitze von ihm fast alles bieten lässt. Also spielt er weiter den starken Mann – um in Ungarn an der Macht zu bleiben.»
EU und Deutschland distanzieren sich
Ein Sprecher der Europäischen Union machte erneut klar, dass Orban nicht im Namen der EU unterwegs sei. Orban spreche auf diesen Reisen ausschliesslich für sich selbst.
«Viktor Orbans angebliche ‹Friedensmission› sorgt hinter den Kulissen in Brüssel für hochrote Köpfe. Es steht gar die Frage im Raum, ob Ungarn die Ratspräsidentschaft wieder entzogen werden soll», sagt SRF-EU-Korrespondent Andreas Reich.
Für Brüssel bleibt wohl nur eine Strategie: Augen zu und durch.
Doch dies sei juristisch und praktisch schwierig bis unmöglich. «So bleibt wohl nur eine Strategie: Augen zu und durch. Auch weil man weiss, dass Orban allein nichts entscheiden kann und er seinen Platz im Rampenlicht der Ratspräsidentschaft Ende Jahr wieder räumen muss», so Reich.
Auch aus Berlin kamen erneut kritische Worte: «Wir müssen sehen, wie die ungarische Ratspräsidentschaft weiter läuft. Wir sind jetzt an Tag 12. Und sie hat schon grossen Flurschaden hinterlassen», sagte der Sprecher des deutschen Auswärtigen Amts.
Litauen schickt keine Minister zu EU-Treffen in Ungarn
Besonders mit seiner Moskau-Reise vor den Kopf gestossen hat Orban das Baltikum und die nordischen Staaten. Als Reaktion wollen Litauen sowie Schweden vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken.
«Wir haben uns vorerst einfach dazu entschieden, unsere Beteiligung auf politischer Ebene in Ungarn einzuschränken», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im litauischen Parlament. Auch Estland und Lettland wollten ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren, meldete die Agentur BNS – ohne Details und Quellen zu nennen.