Geht es nach dem Willen Österreichs, darf Kroatien rein in den Schengen-Raum, Bulgarien und Rumänien müssen vorerst draussen bleiben. Wer aus diesen Ländern in ein anderes EU-Land oder in die Schweiz reist, muss also weiterhin durch eine Passkontrolle.
Das Ja für Kroatien haben die Innenminister der Europäischen Union gestern beschlossen. Der Entscheid für Bulgarien und Rumänien kam trotz stundenlanger Debatte nicht zustande. Österreich hat sein Veto gegen den Schengenbeitritt der beiden Länder eingelegt.
Vor allem in Rumänien ist die Enttäuschung gross. Aber einzelne Stimmen zeigen auch Verständnis für das Nein aus Wien.
In Rumänien klingt es nach dem österreichischen Veto aus allen politischen Ecken gleich. Von überall her kommt ein Schrei der Empörung. Alle finden: Die Österreicher haben Rumänien um den Beitritt zum Schengen-Raum betrogen.
Rumäniens Präsident Klaus Iohannis bezeichnet das österreichische Veto als «unverständlich». Der Präsident der rumänischen Abgeordnetenkammer spricht von einem Weihnachtsgeschenk für den russischen Kriegsherrn Wladimir Putin; Österreich untergrabe die europäische Solidarität. Der rumänische Wirtschaftsminister klagt, das Veto der Österreicher beschere seinem Land Verluste von 10 Milliarden Euro pro Jahr. Und sogar der rumänische Tourismusminister meldete sich zu Wort: Die Rumäninnen sollten nicht nach Österreich in die Skiferien fahren. Schliesslich gebe es auch in der Schweiz oder in Italien schöne Pisten.
Teilweise Verständnis bei rumänischen Medien
Der Buhmann des Tages in Rumänien ist der österreichische Innenminister. Dieser sagte zu seinem Veto: Schengen funktioniere nicht, sonst gäbe es in Österreich in diesen Tagen nicht zehntausende unregistrierte Migranten. Diese vielen Menschen, die offenbar niemand kontrolliert habe, bevor sie in den Schengen-Raum einreisten, passten doch nicht zu den Berichten der Europäischen Kommission, die Rumänien in verblüffend kurzer Zeit verblüffend grosse Fortschritte bei den Grenzkontrollen attestierten.
Nüchterne Stimmen in den rumänischen Medien haben für diese Argumente ein gewisses Verständnis. Sie weisen zwar darauf hin, dass die meisten illegal nach Österreich eingereisten Migranten nicht durch Rumänien kamen. Aber auch diese Beobachter finden es eigenartig, dass die Expertinnen der EU-Kommission die rumänischen Zöllner plötzlich für vorbildlich halten, dass Korruption, Inkompetenz und Chaos an den rumänischen Grenzen praktisch über Nacht verschwunden sein sollen.
«Eine gut verpackte Lüge»
Der Chefredaktor von «G4media», einem der wichtigsten Nachrichtenportale in Rumänien, schreibt dazu: Dass Rumänien alle technischen Voraussetzungen für einen Beitritt zum Schengen-Raum erfülle, sei eine gut verpackte Lüge. Sie gründe darin, dass die EU in Zeiten der russischen Bedrohung um jeden Preis Einigkeit demonstrieren wolle. Die Rumäninnen und Rumänen wüssten, dass ihr Land noch nicht bereit sei für einen Beitritt zu Schengen.
Wenn die Empörung einmal verflogen ist, wird Rumänien nichts anderes übrigbleiben, als auch diese Zweifel zu zerstreuen und zu zeigen, wie viele Fortschritte der rumänische Grenzschutz tatsächlich gemacht hat.