Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat sich mit Wahlbeobachtungen einen guten Ruf erarbeitet. Sie setzt sich ein für Menschenrechte, für Pressefreiheit, aber auch für Vertrauensbildung und Dialog im militärischen Bereich. Seit Jahren spielt ihre Beobachtermission im Konflikt in der Ostukraine eine positive Schlüsselrolle.
Doch in der Organisation, die mit ihren 57 Mitgliedsländern von Wladiwostok bis San Francisco reicht, ist der Wurm drin. Es fehlt an Vertrauen und am Willen zur Zusammenarbeit. Das hat zu tun mit dem Wiederaufflammen des Ost-West-Konflikts und damit, dass etliche OSZE-Mitgliedsländer zentrale Ziele der Organisation, etwa die Rechtsstaatlichkeit, gar nicht wirklich gutheissen.
Umstrittener Franzose Harlem Désir
Die Spannungen zeigten sich schon 2017. Damals wurde eine neue OSZE-Führung erst nach langem, zähem Ringen gewählt. Als Generalsekretär setzte sich am Ende der Schweizer Spitzendiplomat Thomas Greminger durch. Er hatte zuvor die Schweiz als Botschafter bei der OSZE vertreten. Er gehört – zusammen mit dem damaligen Bundesrat Didier Burkhalter – zu den Architekten der OSZE-Beobachtermission in der Ostukraine.
Die Differenzen in Wien kochten nun erneut hoch. Sie entzündeten sich am OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit, dem Franzosen Harlem Désir. Der war Aserbaidschan und Tadschikistan zu aktiv, zu kritisch. Sie wandten sich deshalb gegen dessen Wiederwahl – zur Empörung von Frankreich.
Greminger als Kollateralschaden
Kritik gab es auch am OSZE-Hochkommissar für Minderheiten und an der Leiterin des Büros für demokratische Institutionen. Am Ende wurde das ganze Paket zur normalerweise üblichen Wiederwahl der Führungsriege aufgeschnürt. Schliesslich wurde niemand wiedergewählt, auch nicht der Chef, Generalsekretär Thomas Greminger.
Dabei war Greminger weniger eine Zielscheibe als vielmehr ein Kollateralschaden oder ein Bauernopfer. Offensichtlich verfügte er jedoch auch nicht über eine genügende Hausmacht, um wenigstens seine eigene Wiederwahl zu retten.
Starke OSZE gar nicht erwünscht
Zwar profilierte sich Greminger in seinen drei Amtsjahren zum einen mit seinem Engagement für die Beobachtermission in der Ukraine, zum andern mit einem ehrgeizigen Zehn-Punkte-Reformplan, der die OSZE schlagkräftiger machen sollte. Und offiziell fand sein Engagement Beifall. Tatsächlich dürfte es hingegen manchen Regierungen missfallen haben. Denn sie wollen gar keine effiziente OSZE mit einer aktiven Zentrale in Wien.
Da Gremingers Amtszeit schon Ende Woche abläuft, wird die OSZE nun monatelang führungslos sein. Erst am Ministertreffen im Dezember soll ein Nachfolger für den Generalsekretär gewählt werden. Es ist dies ein Sinnbild für die Schwäche der Organisation und für das Widerstreben, sie zu stärken.
Für die Schweiz ist Gremingers Nichtwiederwahl eine Enttäuschung, zumal sie derzeit auf internationalen Spitzenposten nicht sonderlich gut vertreten ist.