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Papstwahl Woran sind die Favoriten gescheitert?

Dass der Mailänder Erzbischof Angelo Scola nicht Papst geworden ist, überraschte viele. Auch Odilo Scherer, der Erzbischof von Sao Paolo, hatte gute Karten. Das Rennen gemacht hat schliesslich Jorge Mario Bergoglio. Ein Mann mit wenig «Vitamin B».

Papst Franziskus muss sich wohl noch etwas an seinen neuen Namen gewöhnen, genauso wie Millionen Menschen rund um die Welt.

Zwei andere Kardinäle wären eventuell besser auf so eine Veränderung vorbereitet gewesen: Der Mailänder Erzbischof Angelo Scola und der Erzbischof von Sao Paolo, Odilo Scherer. Sie galten als Favoriten. Doch keiner von ihnen wurde gewählt. Weshalb eigentlich nicht?

«Dass der haushohe Favorit Angelo Scola gescheitert ist, überrascht viele. Denn es schien so, als genösse er grosse Unterstützung unter den Kardinälen», sagt SRF-Korrespondent Massimo Agostinis. Scola sei der Kurie nie nahe gestanden. «Das war Garantie dafür, dass er dort ausmisten würde.» In der Kurie – der Regierung des Vatikans – herrschen Streitereien und Machtkämpfe.

Italienischer Pass unerwünscht

Crista Kramer von Reisswitz berichtet seit 31 Jahren aus dem Vatikan. Das Scheitern Scolas erstaunt sie nicht: «Ich glaube, Scola ist mehr oder weniger von seinen eigenen Landsleuten verraten worden.» Innerhalb der Kurie hätte man sich vor ihm als möglichen «Aufräumer» gefürchtet. «Und auch seine Zugehörigkeit zur katholischen Bewegung 'Comunione und Liberazione', die sehr viel Macht hat in Italien, auch politische Macht, hat ihm ganz bestimmt geschadet», schätzt sie.

Geschadet habe Scola aber nicht nur seine Nähe zu 'Comunione und Liberazione', kurz CL, sondern auch, dass aussereuropäische Kardinäle einfach keinen Italiener mehr an der Spitze des Vatikans haben wollten, sagt Kramer von Reisswitz weiter.

Massimo Agostinis in Rom hält Scolas Nationalität ebenfalls für einen Nachteil: «In der Kurie sitzen zahlreiche Italiener, die für die Misswirtschaft und die Skandale bei der Vatikanbank IOR verantwortlich gemacht werden. Zudem gelten die Italiener als nicht besonders beherzt im Kampf gegen Pädophilie im eigenen Land.»

Scherer als Vertreter der Kurie

Odilo Scherer ist ein Mann der Kurie. Er hatte ein wichtiges Amt inne in der Bischofskongregation – jenem Organ, das über die Berufung von Bischöfen entscheidet. Ein Posten im Innern des vatikanischen Machtzirkels. «Wegen des Versagens der Kurie wollten die wahlberechtigten Kardinäle keinen mehr aus dieser Ecke», vermutet Agostinis. Also fiel auch der Brasilianer aus dem Rennen.

Mit dem ArgentinierJorge Mario Bergoglio ist nun erstmals ein Lateinamerikaner Papst. Er besitzt innerhalb der Kurie keine eigene Hausmacht. «Schaut man sich an, in welchen Gremien er als Kardinal sass, wird dies deutlich», sagte Theologieprofessor Edmund Arens gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

An Franziskus' Personalpolitik wird sich dessen Reformfähigkeit zeigen. Will er die Kurie reformieren, muss er das Personal an den Schlüsselpositionen auswechseln: Neben dem Staatssekretär betrifft dies die Spitzen der Glaubenskongregation, der Bischofskongregation sowie des Aufsichtsorgans der Vatikanbank.

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