Der Mann lehnt sich an das Absperrgitter und hebt sein Telefon in die Luft. Er und seine Begleiterin blicken in den Bildschirm, sie presst die Lippen zu einem Kussmund zusammen, bevor er zum Selfie abdrückt. Hinter ihnen steht ein Panzer des Typs T-64 aus der Ukraine.
Die Ausstellung «Trophäen der russischen Armee» läuft bereits seit über einem Monat, trotzdem strömen noch Tausende zum «Park des Sieges» im Westen Moskaus, um die Panzer oder Truppentransporter zu sehen, die angeblich an der ukrainischen Front erbeutet wurden.
An den Fahrzeugen prangen die Flaggen zahlreicher Länder: der Ukraine, aber auch der USA oder Deutschlands. Die Botschaft ist klar: Sie alle haben sich gegen Russland gestellt. Wie und wo die Maschinen in russischen Besitz kamen, bleibt unklar. Militärexpertinnen aus dem Westen gehen aber davon aus, dass der Grossteil erbeutet wurde.
Heute ist ein Feiertag, der «Tag Russlands». Viele Familien sind da. Die Menschen hier sehen Russlands Krieg in der Ukraine als alles entscheidenden Kampf. Es gehe um Russlands Existenz, sagt etwa ein junger Mann.
«Napoleon, Hitler und heute»
«Die Leute in der Ukraine leiden, aber bald werden wir das Land von dem Dreck säubern, der sie unterdrückt hält», sagt Jewgenij, der mit seiner Tochter Alina den Park des Sieges besucht.
Russland als Retter, der bloss sich und die seinen verteidige – dieses Narrativ bedient die Ausstellung mit einem kleinen Zeltdach, unter dem ein Panzer aus einer anderen Zeit steht. Mit dem Marder aus dem Jahr 1942 attackierte einst die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. «Die Geschichte wiederholt sich», steht auf dem Zelt.
«Alle 100 Jahre vereint sich Europa gegen Russland, um wieder einmal gewaltig aufs Dach zu bekommen», zitiert Sascha, der sich den Marder anschaut, ein russisches Sprichwort. «Napoleon, Adolf Hitler, und heute ist es dieselbe Situation.»
Die Erzählungen der russischen Propaganda wirken. Wirken tun aber auch die Massnahmen des Kremls, die Menschen vor den Folgen des Kriegs weitgehend zu schützen und den Lebensstandard in den grossen Städten hochzuhalten. Die Leute sehen sich in einem Kampf ums Überleben, sind aber gleichzeitig überzeugt, dass dieser in ihrem Sinne laufe. Die Trophäen betrachten sie als Beleg dafür.
Vieles verschwiegen
«Unsere Jungs sind Prachtkerle», sagt Jewgenij. «Wenn man alles Kriegsgerät, das wir ausgebrannt haben, hierherschleppen würde, würde der ganze Boulevard nicht ausreichen.»
Jewgenij wiederholt seine Sorge um das Leiden in der Ukraine. «So viele ukrainische Soldaten werden einfach zur Schlachtbank geführt. Man sieht ja, wie ihre Friedhöfe aussehen.»
Verschwiegen wird derweil im Park des Sieges, dass in der Ukraine kaum Soldaten starben, bevor Russland seinen Grossangriff startete. Und wie viele russische Panzer zerstört wurden, wie viele russische Jungs bereits die Friedhöfe füllen. Laut Recherchen der BBC und des unabhängigen russischen Mediums Mediazona dürften bereits 120'000 russische Soldaten in der Ukraine gefallen sein, Stand Juni dieses Jahres konnten sie 60'000 definitiv belegen. Im Park des Sieges scheint niemand zu merken, dass dieser Aspekt der sogenannten «Spezialoperation» fehlt.
«Die Nato-Waffen brennen, wir können sie besiegen», sagt der Besucher Wladimir gegenüber SRF. «Anders als bei euch im Westen sehen wir hier die Wahrheit über die ‹Spezialoperation›. Hier wird die Wahrheit gezeigt.»