Rue de Solférino, Nummer 10: Eine noble Adresse im ebenso noblen 7. Pariser Arrondissement. Seit 1980 im Besitz der französischen Sozialisten, die hier ihre Parteizentrale haben. Noch – denn an der Rue de Solférino geht eine Epoche zu Ende: Das Haus mit der Nummer 10 steht zum Verkauf. Schuld ist die Parlamentswahl – beziehungsweise das französische Parteienfinanzierungssystem. Wie viel eine Partei an staatlichen Zuschüssen erhält, entscheidet sich nämlich bei dieser Wahl: 1 Euro und 42 Cent gibt es für jede Stimme, die eine Partei im ersten Wahlgang erhält. Für jeden Sitz im Parlament nach dem zweiten Wahlgang gibt es dann noch 37'280 Euro obendrauf – pro Abgeordneten und Jahr.
25 Millionen Euro: Mit soviel Geld aus der Staatskasse darf «En Marche», die Partei von Präsident Emmanuel Macron, pro Jahr rechnen. Die Sozialisten hingegen müssen gründlich über die Bücher. Die Partei muss ihr Budget in den kommenden Jahren um zwei Drittel kürzen. Düstere Aussichten, zumal die Partei bereits bei den Departements – und Regionalwahlen massiv Stimmen, und damit Geld verlor. Viele Stellen in der Parteizentrale werden darum gestrichen. Und der Verkauf des Hauptquartiers ist kaum noch abzuwenden, um die Löcher in der Kasse zu stopfen. Vorbei die Zeit, als «Parti socialiste» und «Solférino» Synonyme waren.
Das gleiche Szenario droht den bürgerlichen Républicains: Auch ihnen werden Millionen Euro an Staatsgeldern gestrichen. Ähnlich düster wie für die Sozialisten sind also auch für sie die finanziellen Prognosen. Die Partei stottert zudem immer noch Bankkredite ab – eine Folge von Sarkozys überbordender Wahlkampagne 2012. Die beiden Regierungsparteien kämpfen bei der Parlamentswahl somit nicht nur um ihr politisches, sondern auch um ihr finanzielles Überleben. Und die Präsidenten der Sozialisten und der Républicains erhalten beide eine neue Aufgabe: Konkursverwalter der Partei.