Noch vor zwei Jahren hätte kaum wer gewagt, den Sozialisten einen Aufschwung vorherzusagen, wie sie ihn gestern erlebten. Die Partei lag am Boden, war zerstritten und stellte ihren Chef Pedro Sánchez auf die Strasse. Und genau mit diesem Mann gelang ihr nun das Comeback. Sánchez ist ein Kämpfer, er blieb ruhig und sachlich und hat den Spanierinnen und Spaniern in den vergangen zehn Monaten eine Regierungsarbeit gezeigt, die trotz Fehlern überzeugte.
Votum für eine offene Gesellschaft
Das Wahlergebnis ist zunächst ein klarer politischer Entscheid. Zählt man die Mitte-Links-Kräfte zusammen, ergibt sich eine deutliche Mehrheit, die weit über das absolute Mehr hinausgeht. Spanierinnen und Spanier lehnten den harten, konfrontativen Stil der Rechtsparteien ab, sie wollten die Errungenschaften einer offenen Gesellschaft nicht preisgeben. Sie erkannten, dass es ohne Dialog und Kompromisse keinen Fortschritt gibt.
Das gilt in gesellschaftspolitischen Fragen wie der Rechte der Frauen oder der Abtreibung. Es gilt bei der Aufarbeitung der Diktaturvergangenheit. Es gilt in der Migrationspolitik. Es gilt aber vor allem bei Spaniens derzeit grösstem Konflikt: der Auseinandersetzung mit den katalanischen Separatisten. Das Rechte Lager wollte in all diesen Fragen das Rad zurückdrehen. Spaniens autonome Regionen sollten künftig weniger statt mehr Kompetenzen haben. Und Gespräche mit den Katalanen sind für die Rechten ein Kniefall, eine Kapitulation.
Separatisten gehen gestärkt aus der Wahl hervor
Die Separatisten aber gehen gestärkt aus den Wahlen hervor. Mindestens die linken Republikaner haben im Wahlkampf schon erkennen lassen, dass sie zu einem Dialog bereit wären. Und die Republikaner haben sich gegen die radikalere Partei des ehemaligen Präsidenten Puigdemont klar durchgesetzt. Sie haben doppelt so viele Abgeordnete in Madrid.
Und die Sozialisten gewinnen in Katalonien Sitze dazu, während die Konservativen noch genau einen Abgeordneten aus dieser wirtschaftsstarken Region haben. Auch daran zeigt sich, dass der von Sánchez begonnene Dialog belohnt wird.
Debakel für die Konservativen
Für zwei Parteien ist die gestrige Wahl bitter: die linke Podemos, die sich vor fünf Jahren auf die politische Bühne katapultierte, sackt ab und verliert, wegen interner Querelen, massiv an Wählergunst. Ein eigentliches Debakel aber ist das Resultat von gestern für die Konservativen. Sie haben dreieinhalb Millionen Wählerinnen und Wähler verloren, teils nach rechts, an Vox, teils wohl auch an die Mitte.
Der harte, polemische Wahlkampf des jungen Parteichefs Pablo Casado blieb erfolglos. Casados Kurs ist auch parteiintern kritisiert worden, als zu extrem, zu kompromisslos. Der historische Absturz dürfte zu heftigen Debatten führen.
Regierungsbildung: Mitte-Links oder Mitte-Rechts?
Pedro Sánchez, der Wahl-Sieger, wird nicht lange feiern können. Er muss aus einem stark aufgesplitterten Feld eine Regierung bilden. Die Ausgangslage verspricht keine stabilen Verhältnisse. Sánchez wird entscheiden müssen, ob er eine Mitte-Links-Mehrheit sucht im Parlament oder Mitte-Rechts ansteuert. Links geht nichts ohne die separatistischen katalanischen Republikaner. Und Mitte-Rechts wäre ein Bündnis mit Ciudadanos. Die haben das bisher immer lautstark abgelehnt. Aber das letzte Wort wird nie im Wahlkampf gesprochen, sondern immer danach.