Vor vier Jahren hatte die Terrormiliz IS grosse Teile des Iraks erobert. Darunter die zweitgrösste Stadt im Land, Mossul. Während der IS-Herrschaft und dem Bürgerkrieg wurden Hunderttausende vertrieben, Zehntausende getötet.
Mittlerweile gilt der IS als besiegt, ganz verschwunden aus dem Irak ist er aber nach wie vor nicht.
Nun finden in Irak am Samstag zum ersten Mal wieder Wahlen statt, unter denkbar schwierigen Umständen. Zuständig ist die irakische Wahlkommission. Zu ihrem Chef vorzudringen, ist selbst mit einem gut vernetzten lokalen Assistenten schwierig. Zuerst ein gewaltiger Papierkrieg, bis nur schon ein Termin feststeht und die Passiererlaubnis da ist.
Hochsicherheitstrakt inmitten der Hauptstadt
Die Wahlkommission ist in der «Grünen Zone» Bagdads untergebracht, hinter Checkpoints, hohen Betonmauern und Stacheldraht. Einmal dort, geht der Papierkrieg weiter. Nochmals Formulare, noch ein Passfoto, das die Beamtin sorgfältig auf den Papierausweis klebt und mit einer Folie versiegelt.
Man beginnt zu ahnen: Die Umstände dieser Parlamentswahl, die sich Maan Al-Hitawi, dem Chef der höchsten Wahlaufsichtsbehörde Iraks, stellen, sind ausserordentlich. «Die politischen Umstände und die Sicherheitslage stellen die Wahlkommission in der Tat vor einige Herausforderungen», sagt er mit einem gewissen Understatement.
Mehr als 21 Millionen Wahlberechtigte wollen registriert sein bei diesen ersten Wahlen nach dem Sieg über die Terrormiliz IS.
Spannungen und Misstrauen
Die Sicherheitslage bleibt eine grosse Herausforderung. Der IS hat den fast 7000 Kandidatinnen und Kandidaten kollektiv mit der Ermordung gedroht. Mindestens drei Kandidaten wurden im Wahlkampf getötet, einer davon in Bagdad.
Auch die Mitglieder der Wahlkommission leben gefährlich. «Vor ein paar Tagen ist der Chef des Wahlbüros in der irakisch-kurdischen Provinz Diyala nur knapp einem Anschlag entgangen», sagt Al-Hitawi.
Die Anschläge zeigen, wie gross die Spannungen im Land sind. Einerseits zwischen Schiiten und Sunniten, weil letztere unter Kollektivverdacht stehen, IS-Kämpfer oder -Unterstützer zu sein – und unter sich gespalten sind.
Noch gespaltener sind die Schiiten, die sich in über 70 Parteien und Fraktionen aufteilen. Schliesslich die grossen Spannungen zwischen den Kurden und der Zentralregierung in Bagdad seit der kurdischen Unabhängigkeitsabstimmung.
Maan Al-Hitawi, der Chef der höchsten Wahlbehörde, steht in seinem Büro vor einer Karte des Irak. 56'000 Wahlbüros sind über das ganze Land verstreut eingetragen. All diese Wahlbüros mussten technisch neu ausgerüstet werden, mit neuen Computern und neuer Software.
«Kern der Umrüstung ist eine neue biometrische Chipkarte für alle Stimmberechtigten», führt Al-Hitawi aus. Sie soll Wahlfälschungen verhindern. Fingerabdrücke werden eingescannt und in den Wahllokalen geprüft. Dann wird die Stimmabgabe digital gespeichert und ausgezählt.
Ambitionierte Pläne
Vier bis fünf Stunden nach der Schliessung der Wahllokale sollen die Ergebnisse aus allen Regionen via Satellit in die Hauptstadt eilen. Das Vorhaben ist ehrgeizig, wenn man nur schon an die Papierberge und die vielen alten Computer in den Büros der Wahlkommission denkt.
Persönlich glaube er, es werde alles rund laufen, sagt Al-Hitawi: «Mit Gottes Hilfe.» Mehr als eine Viertelmillion Angestellte sind für die Durchführung der Parlamentswahl zuständig. Nicht eingerechnet ist das Sicherheitspersonal, das es brauchen wird, um die vielen Kandidaten und Wahlhelfer zu schützen.