Russland wählt dieses Wochenende ein neues Parlament. Die Wahl wird weder frei noch fair sein. Viele oppositionelle Politiker dürfen nicht antreten, der bekannte Kreml-Kritiker Alexei Nawalny sitzt gar in Haft. Doch Leute wie Ivan Zhdanov wollen trotzdem auf den Urnengang einwirken und ein Glanzresultat für die Kreml-Partei verhindern.
Er ist einer der engsten Vertrauten Nawalnys. Er musste aus Russland fliehen. Wo er sich aufhält, will er nicht verraten. «Ich gebe das nicht bekannt, erstens aus Gründen der Sicherheit. Und zweitens, weil ich mich weiterhin als russischer Politiker fühle.» Russlands Justiz sucht nach ihm.
Vorwurf des «Extremismus»
Dem 33-jährigen Juristen werden extremistische Umtriebe vorgeworfen. Er gibt sich unbeeindruckt: «Meine Tätigkeit hat sich nicht gross geändert: Ich kämpfe gegen Korruption in Russland und arbeite an unseren politischen Projekten.» Zhdanov ist seit drei Jahren Direktor von Nawalnys «Stiftung zur Bekämpfung von Korruption».
Diese hat mit spektakulären Enthüllungsgeschichten Aufsehen erregt – etwa über einen kolossalen Palast, der mutmasslich Wladimir Putin gehört. Gleichzeitig wollten Nawalnys Leute an Wahlen teilnehmen.
Jetzt aber, da Nawalny im Gefängnis sitzt, sind die Möglichkeiten eingeschränkt, zumal die Stiftung in Russland als «extremistisch» verboten wurde. Was noch bleibt: Eine Strategie, die sich «Das kluge Wählen» nennt und die Nawalnys Anhänger propagieren.
«Das kluge Wählen» haben Zhdanovs Leute schon bei Regionalwahlen angewendet – teilweise mit Erfolg. Unproblematisch ist die Strategie allerdings nicht: Die empfohlenen Kandidierenden sind oft bloss Pseudo-Oppositionelle, also gar keine echten Putin-Gegner.
Und ob einer ein Demokrat, Kommunist oder Nationalist ist, spielt beim «klugen Wählen» auch keine Rolle. Hauptsache nicht «Einiges Russland», die Partei von Putin – der Rest ist egal. Diese Holzhammer-Strategie ist selbst in oppositionellen Kreisen umstritten. Der Kreml allerdings scheint «Das kluge Wählen» ernst zu nehmen.
Hackerattacken auf Webseite
Zhdanov erzählt, dass die Behörden die Webseite mit den Erklärungen zum «klugen Wählen» blockieren würden. Es gebe zudem dauernd Hackerattacken. Aber man weiche auf Apps oder Chatprogramme aus, um die Wählenden in Russland trotz behördlicher Störmanöver zu informieren – ein Katz- und Maus-Spiel mit ungewissem Ausgang.
«Es ist schwer vorherzusehen, was für Resultate wir bei der Duma-Wahl erzielen. Denn die Staatsmacht wird alles daran setzen, die Ergebnisse zu fälschen», so Zhdanov. Tatsächlich dürfte die Wahl sehr intransparent werden: Es gibt keine Videokameras in den Wahllokalen mehr, viele unabhängige Beobachter sind ausgeschlossen worden.
Vater sitzt in Russland in Haft
Es ist ein mächtiger Gegner, mit dem sich Zhdanov angelegt hat. «Natürlich ist es gefährlich. Selbst im Ausland bin ich nicht sicher. Aber das sind Risiken, die ich schon lange auf mich genommen habe.»
Bitter: Zhdanovs Vater sitzt in einem russischen Gefängnis. Er wurde offenbar festgenommen, um ihn unter Druck zu setzen. Das sagt zumindest der Sohn, auch unabhängige Menschenrechtler sehen es so. Gebrochen hat das Zhdanov nicht – im Gegenteil. «Für mich sind diese Leute persönliche Feinde geworden, seit sie meinen Vater als Geisel genommen haben. Ich denke nicht daran, aufzuhören.»
«Das kluge Wählen» ist eigentlich nichts anderes als eine Wahlempfehlung, nicht für die Regierungspartei zu stimmen. Wer so etwas in Russland macht, bezahlt dafür einen hohen Preis.