- Wählen in Corona-Zeiten ist eine Herausforderung. Auch für die Niederlande.
- Statt erst am Mittwoch können die Wahlberechtigten ihre Stimmen fürs Parlament schon ab heute abgeben.
- Um die 150 Parlamentssitze kämpfen 37 Parteien. Eine davon setzt sich explizit für Menschen mit unterschiedlichen Identitäten ein.
Sylvana Simons ist in den Niederlanden keine Unbekannte. Die 50-Jährige farbige Frau mit Wurzeln in der ehemaligen Kolonie Surinam präsentiert Fernseh- und Radio-Sendungen. Sie ist nicht nur berühmt für ihre extravaganten Outfits, sondern vor allem, weil sie sich immer wieder in die politische Debatte einbringt. Etwa, wenn es um Rassismus geht.
Ich bin in diesem Land aufgewachsen mit der Überzeugung, dass ich im progressivsten, tolerantesten Land der Welt wohne. Aber je mehr die Jahre verstreichen, merke ich, dass das bloss eine Fassade ist.
So griff sie sofort ein, als ein Gast vor ein paar Monaten in einer Fernseh-Talkshow dunkelhäutige Flüchtlinge mit dem äusserst abwertenden Ausdruck «Zwartjes» bezeichnete. «Dieser Ausdruck, Zwartjes, soll das ein Witz sein?», fragte sie den Gast. «Ach», meinte dieser lakonisch, «ich habe selber auch eine schwarze Frau».
Das sei keine Entschuldigung, entgegnete Simons scharf. Die Empörung war ihr regelrecht anzusehen. Nach der Sendung wurde sie mit gehässigen Kommentaren überschüttet. Einer schrieb: «Musst du nicht auf deinem Bananenboot zurück nach Hause?»
Kampf gegen Intoleranz und Rassismus
«Ich bin in diesem Land aufgewachsen mit der Überzeugung, dass ich im progressivsten, tolerantesten Land der Welt wohne. Aber je mehr die Jahre verstreichen, merke ich, dass das bloss eine Fassade ist», kritisiert die Aktivistin.
Deshalb ging sie in die Politik und kämpft nun mit ihrer Partei BIJ1 gegen Intoleranz und Rassismus. «Ich denke, dass nach dem letzten Jahr, das so stark im Zeichen von Black Lives Matter stand, die Menschen bewusster an die Urne gehen und ihre Stimme einer Partei geben, für die politischer Antirassismus höchste Priorität hat», ist sie überzeugt.
Simons versteht BIJ1 als eine aktivistische Partei, bei der die Anti-Rassismus- und die Black-Lives-Matter-Bewegung, die LGBT-Community und alle anderen Gruppen, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, ein Zuhause finden.
BIJ1 sei eine Partei mit Menschen, die gegen jene Missstände kämpften, denen sie zum Opfer gefallen seien und die aus dieser Erfahrung ihren Aktivismus politisch einsetzen wollten, um Dinge zu verändern. «Damit sind wir anders als die anderen Parteien», sagt die Parteichefin.
Der Politologe Floris Vermeulen von der Universität von Amsterdam gibt ihr recht. Auf nationaler Ebene sei Simons Partei ein Novum in Europa. Die verschiedenen Identitäten machten die Partei interessant – gleichzeitig aber auch schwierig. Denn es sei fraglich, ob sich all die unterschiedlichen Menschen tatsächlich dazu bewegen liessen, an die Urne zu gehen.
Für ihre politische Arbeit im Amsterdamer Parlament bekam Simons vor wenigen Tagen einen Preis. Sie hofft, dass dies der Auftakt ist für einen oder mehr Sitze im nationalen Parlament. Der Politologe bleibt skeptisch. Aber laut den jüngsten Umfragen könnte es klappen.