Angriffig, energisch, emotional: US-Präsident Joe Biden hat den Parteitag der Demokraten in Chicago eingeläutet – und das auf eine Art und Weise, die durchaus im Kontrast zu seinen letzten Auftritten stand.
Nach Zweifeln an seiner mentalen und körperlichen Fitness hatte der 81-Jährige vor einem Monat bekanntgegeben, dass er auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur verzichtet. Seine Stellvertreterin Kamala Harris rückte nach und sicherte sich in kurzer Zeit die Unterstützung der Partei.
Tränen und feurige Attacken
Eingeführt wurde Biden von seiner 43-jährigen Tochter Ashley. Sie bezeichnete den scheidenden Präsidenten als «Kämpfer, der sein ganzes Leben lang unterschätzt wurde». Biden betrat sichtlich bewegt die Bühne und wischte sich während der minutenlangen stehenden Ovationen die Tränen aus dem Gesicht.
Es war der Auftakt zu einer typisch amerikanischen Politinszenierung: Viel Familie, viele Emotionen und feurige Attacken auf den politischen Gegner.
Trump sagt, wir würden verlieren – aber er täuscht sich gewaltig: Er ist der Loser.
In seiner Rede sprach Biden von einer «Schicksalswahl um die Seele der Vereinigten Staaten». Die Amerikanerinnen und Amerikaner müssten sich entscheiden, ob sie einen verurteilten Straftäter oder eine Staatsanwältin im Weissen Haus möchten. «Trump sagt, wir würden verlieren – aber er täuscht sich gewaltig», sagte Biden in Richtung seines langjährigen Kontrahenten. Und fügte an: «Er ist der Loser!»
Rückendeckung für Harris
Der US-Präsident schwörte seine Partei auf die neue Frontfrau der Demokraten ein. Harris sei ein Mensch mit Charakter und enormer Integrität. «Die Wahl von Kamala war die allererste Entscheidung, die ich getroffen habe (...), als ich Kandidat wurde. Es war die beste Entscheidung, die ich in meiner gesamten Karriere getroffen habe.»
«Seid ihr bereit, Kamala Harris und Tim Walz zu wählen?», rief Biden den Tausenden Delegierten zu. «Seid ihr bereit, für Freiheit zu stimmen?» Er betonte: «Die besten Tage liegen nicht hinter uns, sondern vor uns.»
Der Präsident sprach klar und kämpferisch. Ein Auftritt, der eher an seinen erfolgreichen Wahlkampf vor vier Jahren als an die zuweilen besorgniserregende Performance der letzten Wochen und Monate erinnerte.
Biden blickte in seiner Rede auf seine 50 Jahre andauernde politische Karriere zurück. Er habe in all den Jahren auch Fehler gemacht. «Aber ich habe dir mein Bestes gegeben, Amerika». Er verteidigte auch die Erfolge seiner Regierung – so etwa die Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz und die Bewältigung der Pandemie. Zudem seien unter seiner Ägide Millionen Menschen neu krankenversichert worden.
Warme Worte von der First Lady und seiner Vize
Das Drehbuch der Demokraten war wohl orchestriert: Kamala Harris gesellte sich zu Biden auf die Bühne und seine Frau Jill richtete sich mit einer Liebeserklärung an ihren Mann.
Schon früher am Abend hatte sich Harris an Biden gewandt. «Joe, ich danke dir für deine historische Führungskraft, deinen lebenslangen Dienst an unserem Land und für alles, was du noch tun wirst. Wir sind dir für immer dankbar.»
Abseits von Herzschmerz und Abschiedstränen dürften die Demokraten den Blick in den nächsten Tagen nach vorne richten. Denn der Parteitag läutet die heisse Phase im amerikanischen Präsidentschaftsrennen ein. Am Donnerstag soll Harris zum Abschluss des Parteitags offiziell die Nominierung annehmen. Gewählt wird am 5. November.