Warum tritt Dorsey per sofort zurück? Was Jack Dorsey dazu bewogen hat, gerade jetzt zu gehen, bleibt unklar. Eine Überraschung sei sein Rücktritt aber trotzdem nicht, betont SRF-Wirtschaftsredaktor Iwan Lieberherr. «Es ist ein offenes Geheimnis, dass Dorsey bei manchen Investoren äusserst umstritten war. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit Jahren.» Demnach hätten einige Investoren offen seinen Rücktritt verlangt. Bereits 2008 musste Jack Dorsey den Chefposten bei Twitter räumen. Er kehrte 2015 jedoch wieder an die Unternehmensspitze zurück.
Weshalb ist Dorsey bei Investoren in Ungnade gefallen? Dem Twitter-CEO wurde unter anderem vorgehalten, dass er zu langsam sei – etwa beim Entwickeln neuer Features für Twitter. Twitter falle zurück gegenüber Konkurrenten wie Instagram oder TikTok, so der Vorwurf. Zudem ist Dorsey auch Chef des Zahlungsdienstleisters Square. Diese Doppelrolle als führender Kopf bei Twitter und Square kam nicht überall gut an. Nun wolle sich Dorsey voll und ganz auf seinen Chefposten bei Square konzentrieren, heisst es.
Wie reagiert die Börse? Die Aktionärinnen und Aktionäre halten Dorseys Rücktritt offensichtlich für richtig. Denn die Twitter-Aktie schoss in einer ersten Reaktion um neun Prozent in die Höhe. Sie drehte dann aber im weiteren Handelsverlauf ins Minus.
Wer führt Twitter jetzt weiter? Künftig übernimmt der bisherige Technik-Chef des Unternehmens, Parag Agrawal, den Chefposten bei Twitter. Laut SRF-Wirtschaftsredaktor Iwan Lieberherr bringt er vor allem Erfahrung mit. So stiess Parag Agrawal vor über zehn Jahren zu Twitter. Davor war der Computer-Wissenschaftler bei Microsoft, Yahoo und AT&T Labs. «Agrawal trieb bei Twitter unter anderem den Einsatz von maschinellem Lernen voran. Er war auch am Projekt Blue Sky beteiligt, welches Falschinformationen bei Twitter bekämpfen will.» Der neue Chef dürfte für Kontinuität stehen.
Was hinterlässt Jack Dorsey bei Twitter? «Ohne Jack Dorsey gäbe es wohl kein Twitter», bilanziert Lieberherr. So war Dorsey 2006 bei der Gründung der Firma dabei und hat Twitter zu einem Kurznachrichtendienst mit täglich über 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzern aufgebaut. Dorsey sei anzurechnen, dass es unter seiner Führung gelang, weitgehend aus den roten Zahlen herauszukommen. Zuletzt landete Twitter wegen juristischer Streitigkeiten allerdings wieder im Minus.
Ohne Jack Dorsey gäbe es wohl kein Twitter.
Was bleibt von Dorsey in Erinnerung? Dorsey ist es nicht gelungen, viel Werbung in die Timeline der Kundschaft zu bringen. So liegen die Werbeerlöse von Twitter klar hinter jenen von Facebook zurück. «Das ist aber ein sensibles Thema: Möglicherweise würden Twitter-User auch gar nicht so viel Werbung akzeptieren wie Facebook-User», erklärt Lieberherr. Von Dorsey bleibe vor allem sein Kampf gegen Falschinformationen in Erinnerung, etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie oder dem US-Wahlkampf 2020. Das gipfelte darin, dass Twitter den Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump sperrte.