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Polizeigesetz in Bayern «Dieses Gesetz ist ein Fehler»

Im deutschen Bundesland Bayern hat die christlich-soziale Mehrheit des Parlaments ein neues Polizeigesetz verabschiedet. Doch das Gesetz passt nicht allen. Die SPD und die Grünen haben bereits Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof angekündigt. Denn die bayrische Polizei soll künftig das Recht haben, ohne konkreten Verdacht auf eine geplante Straftat Überwachung und andere polizeiliche Massnahmen einzuleiten. Dazu gehören auch DNA- und Online-Untersuchungen.

Wie die SPD, die Grünen und die Freien Wähler sieht auch Heribert Prantl von der «Süddeutschen Zeitung» das neue Gesetz kritisch. Er hält es für eine Einschränkung der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, wie er erklärt.

Heribert Prantl

«Süddeutsche Zeitung»

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Der ausgewiesene Journalist Heribert Prantl ist Mitglied der Chefredaktion der «Süddeutschen Zeitung» und leitet das Ressort «Meinungen». Vor seiner Karriere im Journalismus war Prantl Rechtsanwalt.

SRF News: Sie finden, dieses Polizeigesetz sei ein Fehler. Warum?

Heribert Prantl: Es ist ein Fehler. Natürlich sollte man davon ausgehen, dass die Polizei ihre Kompetenzen dazu nutzt, die Bürger zu schützen. Aber es sind Befugnisse, die tatsächlich erschrecken können, wenn die Polizei zum Beispiel normalen Bürgern Wohnsitz-Auflagen machen oder die Telekommunikation überwachen kann. Und das alles geschieht nicht, um eine Straftat zu verfolgen, sondern nur, um einer Straftat vorzubeugen. Es geht nicht mehr um eine konkrete Gefahr, für die man handfeste Indizien hat. Man mutmasst, dass da etwas passieren könnte und da kann natürlich auf jeden zugegriffen werden. Es geht nicht mehr nur um Verdächtige. Und da wird einem doch ein bisschen komisch.

Ist es denn nicht richtig, wenn die Polizei schon früh aktiv werden kann, und nicht erst reagiert, wenn schon etwas passiert ist?

Natürlich, das ist der Grundgedanke der Prävention. Prävention ist eigentlich etwas Wunderbares. Aber es kann doch nicht sein, dass mehr Befugnisse bestehen, um Dinge zu verhindern als dann, wenn schon etwas passiert ist. Es geht um die Tiefe der Eingriffe. Ich ahne Gefahren und schon bei der blossen Ahnung, bei der blossen Mutmassung, greife ich ein und mache den Bürger polizeipflichtig. Ich kann nicht zu Zwecken der Prävention tiefer in die Rechte der Bürger eingreifen als bei der Repression.

Doch Markus Thiele von der Deutschen Polizeihochschule sagt, die Polizei bekomme mit dem neuen Gesetz nur mehr technische Mittel in die Hand und werde auf den aktuellen Stand der Technik gebracht, und das erhöhe letztlich die Sicherheit?

Es gibt auch durchaus andere Stimmen von der Polizei. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sagt: ‹Das wollen wir nicht. Wir wollen keine Befugnisse haben, die uns dem Bürger suspekt gegenüber erscheinen lassen.› Natürlich muss die Polizei auf den neusten technischen Stand gebracht werden, aber dazu braucht man keine Eingriffe in Bürgerrechte. Die Proteste gegen dieses Gesetz sind so massiv, wie ich sie in Bayern schon lange nicht mehr erlebt habe. 30’000 bis 40’000 Personen demonstrierten in München. Die Leute sind beunruhigt und das sollte man nicht beiseite schieben. Deswegen sind die Polizeigewerkschaften auch skeptisch.

Glauben Sie, dass das Verfassungsgericht in Bayern das Gesetz noch kippen könnte, wenn es angerufen werden sollte?

Ich denke, es werden zwei Gerichte angerufen werden, zum einen der bayerische Verfassungsgerichtshof, zum anderen das Bundesverfassungsgericht. Wenn die Gerichte ihre eigenen Urteile und Massstäbe, die sie dort entwickelt haben, ernst nehmen, wird dieses Gesetz jedenfalls in einigen Teilen für verfassungswidrig erklärt werden.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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