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Powerplay im Mittleren Osten Treibt Trump Europa den Russen in die Arme?

Der US-Ausstieg aus dem Iran-Abkommen verschiebt globale Interessen. Wie Moskau tickt, bewertet der Russland-Experte Stefan Meister.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron reist am Donnerstag nach Sankt Petersburg zu einem zweitägigen Besuch bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Dabei wird auch das Iran-Atom-Abkommen zu Sprache kommen. Die Europäer versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Eine Analyse der gemeinsamen Interessen Europas und Russlands liefert Stefan Meister von der überparteilichen Denkfabrik DGAP.

Stefan Meister

Politologe

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Stefan Meister ist Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er spricht Deutsch, Russisch, Englisch und Polnisch.

SRF News: Treibt US-Präsident Donald Trump mit seiner Iran-Politik die Europäer in die Arme Russlands?

Stefan Meister: Trump sorgt auf jeden Fall dafür, dass die Europäische Union und Russland wieder vermehrt über andere Themen als nur über die Ukraine sprechen und sich gegen die US-Politik verbünden müssen. Er treibt sie zwar nicht geradezu in die Arme Putins, denn dafür gibt es noch zu viele Differenzen in anderen Bereichen. Aber die Europäer sehen, dass sie zurzeit neben dem Iran auch bei Handels- oder Energiefragen mehr Gemeinsamkeiten mit Russland haben als mit den USA unter Trump.

Ist das nicht erstaunlich, denn bisher war doch die Allianz USA-Europa sehr stark?

Unter Trump werden jetzt aber die Fundamente der transatlantischen Beziehungen in Frage gestellt – die Verrechtlichung der internationalen Ordnung ebenso wie die multilateralen Institutionen. Das tut Putin zum Teil auch, und ein Verbündeter in der Ordnungspolitik oder in der künftigen Friedenspolitik in Europa ist er nicht. Es gibt aber eben jetzt Interessenüberschneidungen mit Moskau, gerade im Fall von Iran.

Was sind die Interessen Russlands beim Atom-Abkommen mit Iran?

Russland hat kein Interesse an der Weiterverbreitung von Atomwaffen und will auch nicht mehr Staaten mit Atomwaffen. Zugleich ist es für Moskau wichtig, das Abkommen eingehalten werden, die es mitunterschrieben hat. Zwar schwächt auch Russland zum Teil internationale Institutionen und die internationale Ordnung, steht aber bezüglich UNO-Sicherheitsrat für eine gewisse Berechenbarkeit. Zudem hat der Kreml handfeste Wirtschaftsinteressen, denn russische Energieunternehmen investieren im Iran und wären von den Sanktionen der USA auch betroffen. Daran haben die Russen überhaupt kein Interesse. Selbst wenn sie zurzeit über die Öl- und Gaspreise von den angedrohten US-Sanktionen profitieren.

Man hat das Gefühl, Putin engagiert sich stärker und in wechselnden Allianzen. Wie passt das in die grössere Strategie Russlands?

Ursprünglich zog es Putin vermehrt in den Mittleren Osten wegen des Konflikts mit dem Westen beziehungsweise als Folge des Ukraine Konflikts. Mit dem Engagement in Syrien wollte er seine Verhandlungsposition gegenüber Europäern und Amerikanern verbessern. Es war eine eher defensive Strategie. Inzwischen sehe ich eine eher offensive Strategie, indem sich Russland tatsächlich in Teilen als wichtige Macht im Mittleren Osten etabliert. Russland wird von den Regionalmächten als Akteur anerkannt, mit dem man verhandeln muss und der auch eine gewissen Vermittlerrolle übernehmen kann. Neben der Rolle als sicherheitspolitischer Akteur geht es Russland aber vor allem um ökonomische und energiepolitische Vorteile in der Region.

Wie war das möglich in doch relativ kurzer Zeit?

Das liegt natürlich auch daran, dass der Westen im Moment sehr schwach ist. Die Amerikaner haben in der Region ein Vakuum hinterlassen. Auch sind die Amerikaner in der Region sehr unbeliebt. Viele Staaten haben sich nach Alternativen gesehnt, die Russland zumindest teilweise anbietet. Die Europäer ihrerseits sind in der Region sicherheitspolitisch irrelevant und werden nicht als Akteure bei der Neuverteilung der Rollen betrachtet.

In Syrien unterstützen Russland und Iran Präsident Assad. Wie stark ist die Achse Moskau-Teheran tatsächlich?

Man sollte sie wohl nicht überschätzen. Beide Seiten haben im Moment ein Interesse daran, in Syrien zusammenzuarbeiten und brauchen einander auch. Die Iraner brauchten die russische Luftwaffe, und die russische Seite braucht die Hisbollah und die iranischen Bodentruppen. Aber man sah auch in einzelnen Punkten, dass Iran kein Interesse daran hat, dass Russland in der Region zu stark wird. Russland wiederum will nicht, dass Iran die dominante Macht in Syrien wird. Russland möchte eher eine Balance zwischen verschiedenen Akteuren und sich die Beziehungen zur Saudi-Arabien und zur Türkei nicht verderben.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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