Der ultrakonservative Ebrahim Raisi wird am Donnerstag als neuer Präsident des Irans vereidigt. Raisi erbt von seinem Vorgänger ein wirtschaftlich gebeuteltes Land, das auf der Weltbühne isolierter ist denn je. Viele, vor allem Junge, sind besorgt. Wir sprachen mit Karin Senz, Iran-Korrespondentin der ARD.
SRF News: Ebrahim Raisi wird als Hardliner bezeichnet, gegenüber dem Ausland, aber auch gegenüber der iranischen Bevölkerung. Stehen die Zeichen auf Konfrontation?
Karin Senz: Das ist nicht einfach einzuschätzen, denn Ebrahim Raisi ist politisch praktisch ein unbeschriebenes Blatt. Er kommt aus der Justiz und hat keine politische Erfahrung, was eine Führungsposition angeht. Eine Kehrtwende ist eher nicht zu erwarten. Denn das letzte Wort im Iran liegt immer beim Obersten Führer. Möglicherweise kann der Ton nochmal rauer werden, beispielsweise im Umgang mit Israel, aber auch die Gesprächsatmosphäre in Wien bei den Atomgesprächen.
Zur Aussenpolitik und dem internationalen Atomabkommen. Kommt jetzt Bewegung in die Verhandlungen?
Wir hatten diese Woche einen Angriff auf ein Schiff, wohinter der Iran vermutet wird. Gestern wurde die Kölnerin Nahid Taghavi zu mehr als 10 Jahren Haft im Iran verurteilt. Ausserdem ist Raisi selbst sanktioniert von den USA.
Er weiss, ohne Atomabkommen hat man fast keine Chance, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Dann müssen wir auf die Atomgespräche in Wien gucken. Er weiss, ohne Atomabkommen hat man fast keine Chance, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Man hat auch den Eindruck, die EU tastet sich ein bisschen vor. Man schickt einen hochrangigen Vertreter an die Vereidigung. Sehen Sie das auch so?
Enrique Mora, der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, begibt sich offensichtlich als einer der wenigen westlichen höheren Diplomaten nach Teheran. Eine Sprecherin der EU sagte, es gehe darum, sich mit der neuen Regierung schon mal diplomatisch auseinanderzusetzen und wichtige Botschaften direkt zu übermitteln. Ich glaube, es ist ein Messen der Temperatur, die Atmosphäre mitkriegen, sich vortasten.
Zur Innenpolitik. Ein Hardliner kommt dann die Macht. Das Klima im Land, gerade für die Jungen, dürfte etwas rauer werden.
Haisi ist ultrakonservativ und nicht moderat-konservativ, wie Hassan Rohani das war. Deswegen die Befürchtung, gerade bei vielen jungen Menschen, dass die Repressionen zunehmen könnten. So ein Fünkchen Hoffnung war bei der Wahl da, dass eventuell eine kleine Änderung kommen könnte. Doch nachdem Raisi gewonnen hatte, sind viele praktisch in sich zusammengesackt, weil sie für ihr Land keine Perspektive sehen und weil sie fürchten, dass die Isolation, in die der Iran steckt, weiter zunehmen wird.
Was heisst das konkret? Es gab beispielsweise Diskussionen über ein eigenes iranisches Internet.
Das wurde im Parlament, sag ich mal, stillschweigend durchgewunken. Allerdings hat Parlamentspräsident Ghalibaf gesagt, WhatsApp und Instagram blieben erhalten.
Viele rechnen damit, dass man ein rein nationales iranisches Internet aufbauen möchte.
Aber viele rechnen damit, dass das Internet gedrosselt und gefiltert wird bzw. dass man ein rein nationales iranisches Internet aufbauen möchte, das dann komplett kontrolliert sein wird.
Das klingt alles düster. Gibt es auch Zeichen für Optimismus im Land?
Der einzige Strohhalm, an den sich die meisten Menschen klammern, ist der Atom-Deal. Und dass die Sanktionen der USA aufgehoben werden, die dem Iran wirtschaftlich die Kehle zuschnüren und dass dann die Menschen ein etwas besseres Leben haben werden. Aber alle wissen, das wird nicht von einem Tag auf den anderen passieren.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.