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Präsidentenwahl in Österreich SPÖ und ÖVP wollen keinen Kandidaten zur Wahl empfehlen

Die beiden grossen Parteien Österreichs überraschen mit nobler Zurückhaltung. Doch dahinter steckt mehr.

Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Bundespräsidenten. Mit Alexander van der Bellen (Grünen) und Norbert Hofer (Freiheitliche Partei) steht erstmals in der Geschichte der Republik kein Vertreter der sogenannt staatstragenden Parteien SPÖ und ÖVP in der Stichwahl.

Der Wahlkampf der beiden Aussenseiter scheint die beiden grossen Parteien nicht zu interessieren. Weder die SPÖ noch die ÖVP empfehlen einen der beiden Kandidaten.

«Wir haben das im ersten Wahlgang nicht gemacht und wollen es auch im zweiten nicht tun, weil bei uns aus unterschiedlichen Motiven eine unterschiedliche Zuordnung besteht, meint ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

Der Wähler, der uns nahe steht, ist reif genug, das selber zu entscheiden.
Autor: Reinhold Mitterlehner ÖVP-Chef

Politisches Kalkül

Das erstaunt bei einer Partei, die das Land die letzten 70 Jahre geprägt hat und wie auch die Sozialdemokraten ihre Anhänger am liebsten politisch von der Wiege bis zur Bahre begleitet.

Weniger erstaunlich ist es jedoch, wenn man weiss, dass Konservative wie Sozialdemokraten auf die Wähler der Freiheitlichen schielen und öffentlich überlegen, künftig mit der Rechtsaussenpartei eine Koalition zu schmieden, wie das die ÖVP schon in Oberösterreich und die SPÖ im Burgenland tun.

SPÖ-Parteisekretär Helmut Schuster betont jedoch, damit habe die Stimmfreigabe gar nichts zu tun. «Ich sehe das nicht als Rücksichtnahme. Wir haben beschlossen, dass wir nur Kandidaten unterstützen werden, die die Sozialdemokratie stellt.»

SPÖ- und ÖVP-Mitglieder protestieren

Doch viele Mitglieder der beiden grossen Parteien machen bei dieser Logik nicht mit. Im Burgenland gehen die Jungsozialisten (Juso) für van der Bellen auf die Strasse und auch in Vorarlberg rufen ÖVP-Bürgermeister zu dessen Wahl auf.

Schliesslich hat ein österreichischer Präsident viel Macht, er kann die Regierung entlassen, Minister ablehnen, ja sogar Notverordnungen erlassen – da kann es doch nicht egal sein, wer das Amt besetzt?

Hauptsache ein Entscheid

Natürlich sei das nicht egal, wenn es um die Aussenvertretung gehe, sagt Mitterlehner. «Es geht aber auch um das Funktionieren des Systems überhaupt. Wichtig ist, dass eine Entscheidung getroffen wird. Alles andere wird derzeit überbewertet, ausser dass eigentlich eine Frage gelöst ist.»

Auch bei den Sozialdemokraten gab es Protest. Aber ein Beschluss sei ein Beschluss, so Schuster. «Das kann einem nicht egal sein, da gebe ich Ihnen Recht. Es hat natürlich Diskussionen gegeben, aber die Entscheidung, keinen der beiden Kandidaten zu unterstützen, wurde letztendlich so akzeptiert.»

Juso rebellieren

Doch der Beschluss kümmert die Juso nicht. Wichtiger seien doch etwa die EU-Mitgliedschaft oder die Sozialpolitik, heisst es dort.

Eine humane Flüchtlingspolitik oder die Verteidigung des Sozialstaates sind wichtiger.
Autor: Silvia Czech Juso-Chefin

Diese Errungenschaften sehen die Juso durch den Freiheitlichen Norbert Hofer gefährdet. Da könne man doch nicht abseits stehen, meint die Juso-Chefin Silvia Czech: «Unseren Mitgliedern war es ein grosses Anliegen, mitzuhelfen. Wir waren viel auf der Strasse, haben mit Menschen gesprochen, viel Überzeugungsarbeit geleistet und werden es auch kurz vor der Wahl wieder tun.»

So sieht man doch ab und zu inmitten von Punschständen, Weihnachtsbläsern und Marroni-Bratern junge Sozialdemokraten, denen die Machtspiele der Parteiführung egal sind und die sich für den grünen Professor einsetzen, bei dem sie ihre Zukunft besser aufgehoben glauben.

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