- In Tunesien hat am Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahl stattgefunden. Rund sieben Millionen Tunesier waren dazu aufgerufen.
- Nach Auszählung von gut der Hälfte der Stimmen kommt der unabhängige Jura-Professor Kaïs Saïed auf 18.7 Prozent. Der im Gefängnis sitzende Medienmogul Nabil Karoui erreicht 15.5 Prozent der Stimmen.
- Nach den Teilergebnissen der Wahlkommission zeichnet sich eine Stichwahl zwischen den zwei Aussenseitern Saïed und Karoui ab.
Auf Platz drei liegt mit 13.1 Prozent der Kandidat der islamisch-konservativen Ennahda, Abdelfattah Mourou. Der bisherige Verteidigungsminister Abdelkarim Zbidi (9.8 Prozent) und Regierungschef Youssef Chahed (7.4 Prozent) liegen derzeit abgeschlagen dahinter.
Kaïs Saïed hatte bereits am Sonntagabend erklärt, er sei «der Erste im ersten Durchgang». Der 61-Jährige war als unabhängiger Kandidat angetreten und hatte sich im Wahlkampf bewusst von allen Parteien distanziert und setzte auf einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf.
Gegen den derzeit zweitplatzierten 56-jährigen Karoui, der nur wenige Tage vor Wahlkampfbeginn in Untersuchungshaft genommen worden war, wird wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt. Der Medienmogul hatte sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Wohltäter aufgebaut, indem er vor den Kameras seines Senders Nessma TV Elektrogeräte oder Nahrungsmittel an Arme verteilte.
Antrag auf Haftentlassung
Karouis Inhaftierung hatte Umfragen zufolge seine Beliebtheitswerte steigen lassen. Seine Anwälte kündigten an, dass sie einen neuen Antrag auf Haftentlassung stellen wollen. Dieser solle innerhalb von 24 Stunden eingereicht werden. Die bisherigen drei Anträge auf Entlassung aus der U-Haft waren alle abgelehnt worden.
Erstmals Debatte vor der Wahl
Erstmals hatten sich die Kandidaten vor der Wahl in einer im Fernsehen und Radio übertragenen Debatte zu wichtigen Positionen äussern dürfen. Zu den Favoriten zählten vor dem Urnengang auch der amtierende Regierungschef Youssef Chahed und der Kandidat der moderat-islamischen Ennahda, Abdelfattah Mourou. Die Partei war unter dem langjährigen Autokraten Zine el Abidine Ben Ali verboten und wurde erst nach dessen Flucht 2011 wieder zugelassen. Sie stellt zum ersten Mal einen eigenen Kandidaten.
Wahlbeteiligung bei 45 Prozent
Die Wahlbeteiligung lag nach Behördenangaben bei 45 Prozent und damit deutlich niedriger als 2014, als noch 64 Prozent der Wahlberechtigten in der ersten Runde der Präsidentenwahl an die Urnen gegangen waren.
Die ursprünglich für November angesetzte Wahl war nach dem Tod des 92-jährigen Präsidenten Béji Caïd Essebsi Ende Juli auf den 15. September vorgezogen worden. Essebsi war 2011 nach dem Sturz des damaligen Diktators Zine El Abidine Ben Ali gewählt worden.
Das Datum der Stichwahl steht noch nicht fest. Sie muss aber vor dem 23. Oktober stattfinden und könnte möglicherweise mit der Parlamentswahl am 6. Oktober zusammengelegt werden.