Seit Monaten war immer wieder vom 24. Dezember die Rede. Die Zeit dränge, was Libyen angehe, betonte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres immer wieder. Er sah die Präsidentschaftswahl, der kurz darauf eine Parlamentswahl folgen sollte, als besten Ausweg aus der Krise.
Libyen brauche Stabilität und Sicherheit. Voraussetzung dafür seien Wahlen, heisst es auch in Washington. Und in europäischen Hauptstädten wird betont, es sei nun wichtig, dass das libysche Volk in einem demokratischen Prozess seine Zukunft gestalte.
Bloss: Die Voraussetzungen in Libyen selber für eine Wahl, die das Land eint und nicht spaltet, sind denkbar schlecht. Zwar haben sich viele Libyerinnen und Libyer registriert und sich ihre Wahlzettel besorgt. Doch die Wahlgesetzgebung insgesamt ist hochumstritten. Zudem soll dem künftigen Staatschef eine enorme Machtfülle eingeräumt werden, weshalb es bei der Präsidentschaftswahl um alles oder nichts geht.
Unterlegene werden Sieger nicht akzeptieren
Und schliesslich sind ausgerechnet die bekanntesten und chancenreichsten Kandidaten dubiose Figuren: etwa der Kriegsherr und mächtige Mann im Osten des Landes, Khalifa Haftar. Oder Seif al-Islam, der vom Uno-Strafgerichtshof als Folterer gesuchte Sohn von Ex-Diktator Muammar al-Ghaddaffi.
Aber auch der Übergangsregierungschef, Abdulhamid Dbeiba, der, um seine aktuelle Rolle wahrnehmen zu können, ursprünglich auf eine Kandidatur verzichtete, nun aber doch nach der Macht greift. Gegen ihn gibt es happige Korruptions- und Geldwäschereivorwürfe.
Seit Wochen ist klar: Wer immer gewinnen würde – die Unterlegenen würden den Sieger nie akzeptieren. Von einer Wahl zwecks Versöhnung nach zehn Jahren Bürgerkrieg kann somit keine Rede sein. Von klaren Verhältnissen nach einer Wahl ebenso wenig.
Trotz der offenkundig fehlenden Voraussetzungen wurde bis zuletzt so getan, als sei man am Ziel, als fände eine ordnungsgemässe Wahl statt. Zwar ist es der UNO zu verdanken, dass seit Ende 2020 ein unter ihrer Ägide ausgehandelter Waffenstillstand im Land einigermassen eingehalten wird. Nach diesem Erfolg geriet die UNO in der Libyen-Frage indes ins Straucheln.
Es bleibt nur, die Wahlen zu verschieben
Schon im vorigen Jahr trat ihr Sonderbeauftragter für Libyen Ghassan Salamé frustriert zurück. UNO-Generalsekretär Guterres bemühte sich monatelang vergeblich, die Nachfolge zu regeln. Schliesslich übernahm der Slowake Jan Kubis den ungeliebten Posten. Doch im November, also unmittelbar vor der geplanten Wahl, hatte auch er genug.
Allzu sehr setzte die UNO auf Wahlen als Rezept zur Konfliktlösung. Genau diesen Anspruch erfüllen sie indes selten. Wenn man unmittelbar nach einem Konflikt Wahlen abhält, fördert das den Frieden nicht. Wahlen spalten eine Bevölkerung eher als dass sie sie zusammenführen. Man sah das in Somalia, Afghanistan, Kolumbien und sieht es nun in Libyen.
Die UNO, die USA und die Europäer setzten auf die Abkürzung. Das hat sich nun gerächt. Es bleibt jetzt zu tun, was schon vor Monaten hätte ins Auge gefasst werden müssen. Eine Verschiebung um etliche Monate oder gar länger – um Zeit zu gewinnen und damit vielleicht doch noch die Voraussetzungen für Wahlen zu schaffen.