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Präsidentschaftswahl Kroatien Das Gegengewicht zur konservativen Regierung bleibt bestehen

Erdrutschsieg für Zoran Milanović. Er bleibt Präsident Kroatiens und veritabler Gegenspieler des Ministerpräsidenten.

Der Linkspopulist gewinnt mit rund 75 Prozent der Stimmen. Dabei war sein Gegner, Dragan Primorac, von der in Kroatien fast allmächtigen konservativen Partei HDZ portiert worden. Laut kroatischen Fachleuten dürften viele Milanović gewählt haben, weil sie verhindern wollten, dass die HDZ in Kroatien allmächtig wird.

Hahnenkampf mit Ministerpräsident

Mit Zoran Milanović behält Kroatien einen Präsidenten, der ein lautstarkes und oft unflätiges Gegengewicht zum mächtigen Ministerpräsidenten Andrej Plenković ist. Die beiden liefern sich seit fünf Jahren einen veritablen Hahnenkampf an der Spitze Kroatiens. Besonders Präsident Zoran Milanović hält dabei nicht mit Beleidigungen und Schimpfworten zurück. Nach der Wahl schoss der alte und neue Präsident sofort wieder Pfeile in Richtung seines Rivalen: «Ich werde keinen Druck gegenüber dem Ministerpräsidenten ankündigen, aber wir werden reden müssen. Der zweite Lauf ist vorbei, schauen Sie auf die Anzeigetafel.»

Pro-russische Aussagen

Milanović ist Sozialdemokrat, vertritt aber oft Positionen, die nicht mit seiner Partei in Einklang stehen. So fiel er zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine mit pro-russischen und anti-amerikanischen Aussagen auf. Er blockierte die Teilnahme Kroatiens an einer Nato-Ausbildungsmission in Deutschland und versuchte die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass er die Entsendung kroatischer Soldaten in die Ukraine verhindert habe, obwohl eine solche Entsendung nie zur Diskussion stand.

Milanovic hatte auch vergeblich versucht, die Parlamentsabgeordneten der Opposition dazu zu bringen, die Ratifizierung der Nato-Erweiterung durch Kroatien zu blockieren. Diese Ratifizierung war eine formale Voraussetzung für die Aufnahme von Schweden und Finnland in das Bündnis.

Politisches Klima vergiftet

Mit nationalistisch-souveränistischen Sprüchen gewann er viele Sympathien und Stimmen unter rechtsnationalen Wählerinnen und Wählern. Damit entfernt er sich indes immer weiter von seiner sozialdemokratischen Partei. Zharko Puhovski, der wichtigste Politanalyst Kroatiens, kritisierte gegenüber SRF, dass in Kroatien wegen Milanović «die Differenz zwischen Links und Rechts nicht mehr zu erkennen sei.»

Milanović habe mit seinen Schimpftiraden das politische Klima in Kroatien vergiftet, so Puhovski. Und er glaubt: «Nachdem die Präsidentschaftswahlen vorbei sind, wird sich Milanović völlig von der SDP emanzipieren.»

Präsident ist Oberbefehlshaber der Armee

Der kroatische Präsident hat zwar weitgehend repräsentative Aufgaben, doch er ist Oberbefehlshaber der Armee und hat auch in der Aussenpolitik ein gewisses Mitspracherecht.

Kroatien ist Mitglied der Europäischen Union und der Nato. Mit seinen 3.8 Millionen Einwohnern kämpft das Land derzeit mit einer hohen Inflation, mit weit verbreiteter Korruption und einem Arbeitskräftemangel infolge massiver Auswanderung.

Peter Balzli

Österreich- und Osteuropa-Korrespondent

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Peter Balzli hat Wirtschaft und Medienwissenschaften in Bern und Berlin studiert. Danach absolvierte er die Ringier-Journalistenschule und begann 1995 beim SRF zu arbeiten. Bevor er zwischen 2001 und 2013 als SRF-Korrespondent aus Paris und London berichtete, arbeitete Balzli 2000 bis 2001 als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit 2016 ist Peter Balzli Österreich- und Osteuropa-Korrespondent.

SRF 4 News, 12.01.2025, 04:00 Uhr

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