Die Abstandsregeln von mindestens 1.5 Metern stellen viele Menschen zurzeit vor gewisse Herausforderungen. Kein Händeschütteln, keine Umarmung mit den besten Freunden. Auch zahlreiche Berufssparten haben ihre Schwierigkeiten, einen solchen Abstand einzuhalten.
Für einen Berufszweig sind diese 1.5 Meter besonders heikel. Das älteste Gewerbe der Welt lebt von Körperkontakt. Dass Bordellbesuche oder Begleitservice zurzeit auf legalem Wege nicht möglich sind, ist nur schon wegen der Ansteckungsgefahr mit Covid-19 nachvollziehbar. Was allerdings nicht bedeutet, dass Freier auf den käuflichen Sex verzichten würden.
Bordelle sind geschlossen
In den Niederlanden, einem Staat, in dem es nach Schätzungen über 25'000 Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen gibt, sind seit dem 15. März Bordelle geschlossen und Escort-Services verboten. Besonders stark treffen die Massnahmen die Stadt Amsterdam. Es gibt wohl in Europa, nebst der norddeutschen Stadt Hamburg mit der Reeperbahn, keine andere Stadt, die für käuflichen Sex so bekannt ist wie die niederländische Hauptstadt.
Normalerweise würden hunderte von Touristen dieser Tage im Rotlichtviertel «De Wallen» den Grachten entlang schlendern und immer mal wieder vor einem Schaufenster, in denen sich die Frauen präsentieren, stehen bleiben. Diese Schaufenster sind aber leer. Das Rotlichtviertel mit seinen Backsteinhäusern wirkt wie im Tiefschlaf. Die Prostituierten haben sich zurückgezogen aus dem Viertel.
Riskanter Sex in Privatwohnungen
In den Niederlanden erhalten Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen, die als Selbstständige im Sexgewerbe arbeiten, eine finanzielle Unterstützung vom Staat. Trotzdem haben wegen der staatlichen Notmassnahmen viele von ihnen finanzielle Schwierigkeiten oder fallen durch das soziale Sicherheitsnetz. Insbesondere jene, die illegal im Sexgewerbe arbeiten.
Da die Nachfrage nach käuflichem Sex trotz Covid-19 da ist, arbeiten viele Prostituierte illegal in der eigenen Wohnung weiter, sagt Lyle Muns, der in Amsterdam als Escort arbeitet. Er selber habe zwar geplante Treffen storniert, beobachte aber, dass andere weiterarbeiten würden. «Ich stelle fest, dass viele der Sexarbeiterinnen, die in Sexclubs oder hinter den Fenstern arbeiten, natürlich immer noch auf der Suche nach einer Einnahmequelle sind. Kein Einkommen ist für sie keine Option.»
Dies sei problematisch, sagt Minke Fischer, die als Managerin bei der Organisation Belle in der niederländischen Provinz Utrecht arbeitet. Sie unterstützt SexarbeiterInnen sowie Opfer von Menschenhandel. «Die Betroffenen laufen Gefahr, dass sie sich mit dem Coronavirus infizieren. Oder sie denken: Ich muss Geld verdienen, also stell ich weniger Anforderungen», erzählt Fischer.
Das kann bedeuten, dass Prostituierte zu tieferen Preisen arbeiten oder sich auf Sex ohne Kondom einlassen. Auch die Gefahr von gewalttätigen Übergriffen ist in einer Privatwohnung grösser als in einem Bordell oder in einem der Schaufenster im Rotlichtviertel «De Wallen» in Amsterdam. Diese Schaufenster bleiben allerdings bis auf Weiteres geschlossen.