- Trotz eines Grossaufgebots an Militär und Miliz demonstrieren in Belarus wieder Zehntausende gegen den Machthaber Alexander Lukaschenko.
- Schon vor Beginn der traditionellen Sonntagsdemonstrationen soll es zahlreiche Festnahmen gegeben haben, wie mehrere auf der Messaging-App Telegram verbreitete Nachrichten zeigten.
- Bereitschaftspolizei zog Demonstranten aus der Menge und zerrte sie zu Lieferwagen. Gemäss der Menschenrechtsorganisation Wesna gab es mindestens 53 Festnahmen. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete zehn Festnahmen.
Die Metrostationen im Zentrum von Minsk waren wie an den vergangenen Sonntagen geschlossen, damit möglichst wenige Menschen zu den Protesten gelangen konnten. Am Palast der Republik bezogen Soldaten Stellung. In den Seitenstrassen standen Gefangenentransporter und Hundertschaften der Miliz bereit.
Präsidentenpalast abgeriegelt
Wie eine Festung war der Präsidentenpalast gesichert, weil die Behörden befürchten, dass die Protestmenge den Sitz von Lukaschenko stürmen könnte. Die friedlichen Proteste richteten sich diesmal konkret gegen die international kritisierte sechste Amtseinführung von Lukaschenko am vergangenen Mittwoch.
Der 66-Jährige hatte sich in einem weithin als Geheimoperation kritisierten Staatsakt zum sechsten Mal in Folge als Staatschef vereidigen lassen. Die Demokratiebewegung in Belarus, aber auch die EU erkennen ihn nicht mehr als Präsidenten an. Die Demonstranten sehen die 38-jährige Swetlana Tichanowskaja als die wahre Siegerin der Präsidentenwahl am 9. August.
Keine Verbindung ins Internet
«Sweta ist unsere Präsidentin», skandierten die Menschen in der Stadt. Viele riefen auch: «Lange lebe Belarus!» und «Eto nasch gorod!» («Das ist unsere Stadt»). Damit sich die Menschen nicht verabreden konnten zu den wechselnden Protestrouten, schalteten die Behörden wie an den vorherigen Sonntagen das mobile Internet ab.
Die Sonntagsdemonstration war - wie schon die Frauenkundgebung am Samstag – Tichanowskaja gewidmet – «als echte Amtseinführung durch das Volk». Die Oppositionsführerin, die auf Druck von Lukaschenkos Machtapparat ins benachbarte EU-Land Litauen geflüchtet war, begrüsste den Mut ihrer Landsleute, die nun schon den 50. Tag in Folge auf die Strasse gingen und trotz brutaler Festnahmen keine Angst zeigten.
Auch in anderen Städten kam es zu Demonstrationen. In der Stadt Gomel setzte die Polizei Tränengas und Blendgranaten ein, um eine Demonstration aufzulösen, wie die Agentur Tass meldete.