«Milo Lügner», «Milo Dieb» und «wir sind der Staat»: Mit diesen Parolen zogen am Wochenende rund 10’000 Menschen durch Montenegros Hauptstadt Podgorica. Das ist eine beachtliche Zahl für eine Stadt mit 150’000 und einem Land mit 600’000 Einwohnern.
Die Demonstranten sind der Meinung, dass sich Milo Djukanovics Partei den Staat und die Justiz unter den Nagel gerissen hat, dass sich ein kleiner Kreis um den Präsidenten herum schamlos bereichert und dass die Rechte der normalsterblichen Bürger mit Füssen getreten werden.
In Montenegro ist es ein offenes Geheimnis, dass Djukanovic schon zur Zeit der Jugoslawien-Kriege mit mafiösen Schmuggelgeschäften Millionen verdiente. Die Vorwürfe wurden glaubwürdig dokumentiert, kamen aber nie vor Gericht.
Trotz all dieser Geschichten schenkten ihm die EU und die USA das Vertrauen. Der Grund: Er wandte sich Ende der 90er-Jahre vom serbischen Machthaber Slobodan Milosevic ab, brachte Montenegro auf Westkurs und führte es in die Unabhängigkeit.
Illegale Parteispenden
Vor kurzem hat jetzt aber ein ehemaliger Geschäftspartner und Freund Djukanovics, der Besitzer zweier Banken, Dusko Knezevic, angefangen Aufnahmen zu veröffentlichen: Ton- und Video-Material, das er im Versteckten aufgenommen hat.
Sie zeigen zum Beispiel, wie Knezevic vor den Wahlen 2016 einem Vertreter der Regierungspartei eine illegale Parteispende von rund 100’000 Euro zugesteckt hat. Der Bankier sagt, nicht nur er sondern alle erfolgreichen Geschäftsleute in Montenegro seien seit Jahren von der Partei zu Spenden gezwungen worden.
EU und USA geraten in Erklärungsnot
Djukanovic bestreitet die Zahlungen nicht, die Geschäftsleute hätten aber freiwillig bezahlt. Der Bankier Knezevic veröffentlicht eine Aufnahme nach der andern aus dem Londoner Exil. In Montenegro hat die Justiz zwar Ermittlungen aufgenommen, aber nicht gegen den Präsidenten und seine Parteileute, sondern gegen den Bankier; sie wirft ihm Geldwäscherei vor.
Diese Enthüllungen und die Proteste der Bevölkerung bringen die EU und die USA allmählich unter Erklärungsdruck. Wieso baut man auf einen Machthaber, der weit entfernt ist von den sogenannten europäischen Werten?
Es brodelt im Westbalkan
In Mazedonien – oder jetzt neu Nordmazedonien – begann es vor ein paar Jahren ähnlich. Die Veröffentlichung von Abhörbändern löste monatelange Proteste aus und führte zu einem Meinungsumschwung im Westen. Am Schluss stürzte das autoritäre und nationalistische Gruevski-Regime über seine Korruptionsaffären.
Daraus abzuleiten, dass jetzt auch in Montenegro das Ende Djukanovics bevorsteht, wäre verfrüht. Aber es fällt auf, dass sich in den Ländern des Westbalkans zunehmend Widerstand gegen autoritäre und korrupte Politiker regt. Auch in Serbien, Bosnien und Albanien gingen in letzter Zeit grosse Menschenmengen auf die Strasse.