Es sind eindrückliche Bilder: Zehntausende Menschen laufen durch die Strassen Belgrads. Gesprochen wird nur wenig, die Gesichter sind ernst. Zu Beginn wird eine Schweigeminute für die 17 Toten der beiden Massenschiessereien abgehalten – dann bewegt sich der Zug langsam in Richtung Regierungssitz.
Was am Montag in Belgrad und anderen Städten Serbiens stattgefunden hat, ist ein stiller Trauermarsch – und doch ein deutlicher, politischer Protest. Dazu aufgerufen haben fast alle Oppositionsparteien im Land. Doch es war kein parteipolitischer Protest; bewusst wurde auf politische Symbole verzichtet.
Die Menschen werfen der Regierung vor, keine Verantwortung für die beiden Massenschiessereien von letzter Woche zu übernehmen. Stattdessen stelle sie sich auf den Standpunkt, alles richtig gemacht zu haben.
Einzig der Erziehungsminister ist zurückgetreten. Er hatte letzte Woche noch den sozialen Medien und den westlichen Werten die Schuld gegeben, was weitherum für Empörung sorgte.
Doch die Demonstrierenden fordern weitere Konsequenzen. Sie wollen den Rücktritt weiterer Minister, und dass sich das Parlament möglichst bald des Themas annimmt. Es müsse über die Sicherheit des Landes und die Zukunft der Regierung beraten werden, so der Tenor.
«Dominierende Kultur der Gewalt»
Den Demonstrierenden geht es aber noch um mehr, wie eine Frau gegenüber dem Newsportal Balkan Insight erklärt: «Diese Ursache dieser beiden Tragödien war eine Kombination von vielem – angefangen bei der Politik bis hin zu der dominierenden Kultur der Gewalt in Serbien.»
Serbien befindet sich in vielerlei Hinsicht geistig weiterhin im Krieg, verurteilte Kriegsverbrecher sind gern gesehene Gäste in Talkshows, die Kriege der 90er-Jahre wurden nie wirklich aufgearbeitet. Das zeigt sich auch im öffentlichen Raum: Die Wände in den Städten sind voller kriegsverherrlichender Graffitis; auch die Rhetorik in den Medien und der Regierung ist martialisch.
Die Demonstrierenden fordern daher ein Ende jener Fernsehsender, die Gewalt, Hass und Lügen verbreiteten. In genau so einem – von der Regierung kontrollierten Fernsehsender – hat sich am Montag auch Präsident Aleksandar Vucic zu den Protesten geäussert.
Vucic kritisierte die Organisatorinnen und die Teilnehmenden – sie würden das Andenken an die Toten für ihre politischen Spiele instrumentalisieren. Auch redete er die Teilnehmerzahl klein.
Weitere Demonstrationen nicht ausgeschlossen
Doch auch er sieht Handlungsbedarf, bereits letzte Woche hat er eine Reihe von Massnahmen angekündigt; mehr Polizeischutz an Schulen etwa. Und seit gestern Montag können während eines Monats unregistrierte Waffen straffrei bei den Behörden abgegeben werden. Auf die Forderungen der Demonstranten ging er allerdings nicht ein.
Die Demonstrierenden haben der Regierung bis Freitag Zeit gegeben, auf die Forderungen einzugehen. Was passiert, sollte dies nicht geschehen, liessen sie allerdings offen. Es kann also gut sein, dass es in den nächsten Tagen erneut zu Demonstrationen kommt.