Schirme fliegen durch die Luft, in Richtung Polizisten – diese schiessen Tränengas zurück in die Menge. Die Protestierenden sind aufgebracht, einige von ihnen blenden die Polizisten mit Lasern.
Die Kundgebung ist nicht bewilligt – trotzdem sind sie gekommen. Schüler und Studentinnen, Angestellte und Arbeiter. Bis nach Yuen-Long, einem Vorort von Hongkong unweit der chinesischen Grenze.
Auch Lam Cheuk-ting ist hier. Lam ist Abgeordneter im Stadtparlament, er gehört zur Demokratischen Partei – und somit zur Opposition. Er wünsche sich eigentlich eine friedliche Demonstration.
Es geht um Demokratie
Denn: Gewalt hat Lam am eigenen Leib erfahren. Er trägt seinen rechten Arm in der Schlinge, gebrochen wurde er von Gangstern, beim brutalen Überfall auf die U-Bahnstation hier in Yuen-Long vor einer Woche. «Seit dieser Attacke ist den Hongkongern bewusst geworden, dass die chinesische und die Hongkonger Regierung – ja die Polizei, es den Gangstern erlaubt, Zivilpersonen anzugreifen», sagt Lam.
Und die Menschen würden jetzt erst recht für ihre Freiheiten demonstrieren. Ihre Forderungen gehen längst über das umstrittene Auslieferungsgesetz und die Rücktrittsforderung hinaus: «Am Ende wollen wir Demokratie, wir wollen das allgemeine Wahlrecht – auch in Hongkong. Das wurde uns von Peking versprochen, bevor Hongkong nach China zurückkehrte. Ich weiss, das wird sehr schwierig sein. Aber wir werden weiter dafür kämpfen.»
«Die Demonstranten haben es verdient»
Ständig wird Lam Cheuk-ting von Demonstranten unterbrochen, sie wollen ihm die Hand schütteln – andere posieren für ein Selfie mit ihm. Der Abgeordnete ist hier ein Held, er steht stellvertretend für die Opfer des Angriffs der Mafia-Schläger. Dass die Polizei diese gewähren liess, daran zweifelt an der Demonstration niemand.
Doch: Viele Anwohner in Yuen-Long haben kein Mitleid mit den Aktivisten. Auch Herr Huang nicht. Er ist Mitte fünfzig, lehnt lässig an einem Zaun, trägt ein weisses T-Shirt, so wie auch die Angreifer vor einer Woche. Ein paar Schläge würden diesen Aktivsten ganz guttun, findet er. Hat er etwa selbst mitgemacht? Huang schaut seine Kollegen an, und lacht: «Ich prügle nicht gerne, wirklich! Aber diese Demonstranten, diese Randalierer haben es doch verdient.»
Zurück nach Yuen-Long
Yuen-Long – der Ort ist bekannt für seine Mafia-Netzwerke. Sogenannte Triaden. Auch dafür zeigen Herr Huang und seine Freunde Verständnis. «Die gibt es doch überall. Ich kann also nicht verneinen, dass es auch hier welche gibt», sagt er. «Das organisierte Verbrechen – das sind doch auch nur Menschen, die müssen irgendwo leben. Wenn sie angegriffen werden, dann wehren sie sich eben.»
Später am Abend blockieren Demonstranten auch noch die U-Bahnstation von Yuen-Long – wehren sich mit Feuerlöscher gegen die Polizei. Morgen Sonntag sind weitere Kundgebungen geplant, ebenfalls unbewilligt. Die Spirale der Gewalt wird sich weiterdrehen. Die Regierung wird den Forderungen der Demonstranten nicht nachgeben.