Dem Land geht es mies: Die Wirtschaft stagniert. Die Infrastruktur ist vielerorts lottrig. Die Korruption ist allgegenwärtig. Und die Beziehungen mit den meisten Nachbarstaaten sind – milde gesagt – angespannt. Trotzdem ist der Langzeit-Staatschef populär. Eine Mehrheit will ihn wieder wählen.
Klar, nicht alle Russen unterstützen Putin. Die Jungen lachen über das «Grossväterchen» im Kreml, Moskauer Intellektuelle träumen von einem liberalen, europäischen Russland. Aber viele Menschen im Land, eine Mehrheit, will doch festhalten an dem Mann, der seit 18 Jahren das Land regiert.
Wladimir Wladimirowitsch Putin
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Bild 1 von 31. Wladimir Putin schreitet im Kreml zur Vereidigung für seine vierte Amtszeit als russischer Präsident – sein Leben in Bildern. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 31. Womit alles begann: Wladimir Wladimirowitsch Putin wurde am 7. Oktober 1952 in Leningrad geboren. Das hier sind seine Eltern, Marija Iwanowna Putina (geb. Schelomowa), und der Vater Wladimir Spiridonowitsch Putin. Bildquelle: Kremlin.ru, CC-BY 4.0.
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Bild 3 von 31. Eines der ersten öffentlichen Bilder des russischen Präsidenten stammt aus dem Jahr 1958 und zeigt Putin mit seiner Mutter Marija. Bildquelle: Kremlin.ru, CC-BY 4.0.
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Bild 4 von 31. Auch Wladimir Putin musste natürlich die Schulbank drücken. Hier sehen wir den späteren Staatsmann in der 3. Klasse in St. Petersburg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 31. In seiner Autobiographie «Aus erster Hand» bezeichnet sich Putin als «richtigen Gassenjungen», der sich mit Gleichaltrigen geprügelt habe. Putin hat zwei ältere Geschwister. Diese sterben im Kindesalter. Ein Bruder verschied während der Leningrader Blockade im 2. Weltkrieg. Bildquelle: Kremlin.ru, CC-BY 4.0.
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Bild 6 von 31. Schon weniger unbefangen ist Putin hier abgebildet. Ein Foto aus seiner Zeit beim Geheimdienst. Von 1975 bis 1982 war er KGB-Offizier in der ersten Hauptabteilung für Auslandsspionage. 1984 bis 1985 besuchte er die KGB-Hochschule in Moskau und zwischen 1985 und 1990 diente er seinem Nachrichtendienst in der ehemaligen DDR, vor allem in Dresden. Bildquelle: Kremlin.ru, CC-BY 4.0.
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Bild 7 von 31. Und noch ein Bild aus dem Familienarchiv. Eins der wenigen, auf denen Putins Frau Ljudmila und Tochter Maria zu sehen sind. Putin liess sich 2013 von Ljudmila scheiden. Nebst Maria (1985) kam 1986 in Dresden seine zweite Tochter Jekaterina zur Welt. Ab hier startet nicht nur Putins Familienkarriere... Bildquelle: Getty Images.
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Bild 8 von 31. ...sondern auch seine politische. Wladimir Putin wird einer von mehreren Vizebürgermeistern von St. Petersburg. 1994 gelingt ihm schliesslich der Anschluss an seinen Mentor Anatoli Sobtschak. Putin wird 1. Vizebürgermeister von St. Petersburg. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 31. 1997 dann ging Putin unter die Akademiker. Er doktorierte mit einer Arbeit zur Bergbauwirtschaft. Vom Juli 1998 bis August 1999 amtete er schliesslich als Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB. Ab März 1999 wurde Putin ausserdem Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation. Danach ging es noch steiler bergauf in Putins Werdegang. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 31. Die Nähe zum russischen Präsidenten Boris Jelzin zahlte sich aus. Präsident Jelzin sah ihn als Wunschkandidaten für seine Nachfolge und ernannte Putin am 9. August 1999 zum Ministerpräsidenten. Putin hat aber nicht nur ein Händchen für grosse Tiere. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 31. ...sondern auch für kleine, wie zum Beispiel für diesen jungen Tiger (2008)... Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 31. ...oder Pferde (2010). Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 31. Überhaupt schätzt Wladimir Putin die kernige Pose. Sei es als freizügiger Cowboy (2009)... Bildquelle: Reuters.
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Bild 14 von 31. ...oder als furchteinflössender Biker (2015). Bildquelle: Reuters.
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Bild 15 von 31. Für seine Landsleute bedeutungsvoller dürfte Putin als Kriegsherr sein. Sowohl im ersten als auch zweiten Tschetschenienkrieg. Ein blutiger Konflikt zwischen der Kaukasusrepublik Tschetschenien und Russland in den Jahren von 1994 bis 1996 bzw. 1999 bis 2009. Bildquelle: Reuters.
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Bild 16 von 31. Anfang 2000 ist Wladimir Putin im russischen Machtspiel klar als Präsidentschafts-Favorit erkennbar. Hier betritt er am 26. März ein Wahllokal in Moskau. Am 7. Mai des gleichen Jahres ist es dann so weit. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 31. Wladimir Putin wird im ersten Wahlgang mit 52,9 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt. Zum zweiten nach Boris Jelzin. Er ergreift Massnahmen, um den Vorrang des Kremls in der Innenpolitik wiederherzustellen. Und um einzelne Föderationsmitglieder mit Separationsgelüsten in die Knie zu zwingen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 31. Nebst der Innenpolitik legte Putin in seiner ersten Amtszeit sein Augenmerk auf die Oligarchen. Für Michail Chodorkowski endete dies 2003 in einer Gefängniszelle. Bildquelle: PressCenter Khodorkovsky/Lebedev CC BY 3.0.
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Bild 19 von 31. Seine Amtszeit beginnt überdies mit einer Krise. Im April 2000 verlor Putin eines seiner U-Boote der Atomklasse, wahrscheinlich in norwegischen Gewässern. 118 Besatzungsmitglieder fanden den Tod. Bildquelle: Reuters.
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Bild 20 von 31. Die Zeit eilt, mahnt Putins Finger. Seine 2. Amtszeit von 2004 bis 2008 war auch geprägt von seiner Umweltpolitik. Im November 2004 unterzeichnete Putin das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz und schloss damit den Ratifizierungsprozess in Russland ab. Bildquelle: Reuters.
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Bild 21 von 31. Putins Politik in der 2. Amtszeit als russischer Präsident gleicht einem Seiltanz. In Europa reiht Putin energiepolitische Erfolge aneinander, wie hier anlässlich der Einweihung der «Blue Stream»-Pipeline in der Gaspumpstation Botas in Durusu. Mit den USA indes nehmen die Spannungen zu, nicht zuletzt auch wegen Putins Engagement in der Ukraine. Bildquelle: Reuters.
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Bild 22 von 31. Nach zwei Amtszeiten ist für Putin das Präsidialamt erst mal ausgesetzt. Am 7. Mai 2008 reicht er das Zepter an einen Freund und früheren Kollegen in der Stadtverwaltung, Dmitri Medwedew, weiter. Einen Tag später wählt die Duma Putin zum neuen Regierungschef. Bildquelle: Reuters.
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Bild 23 von 31. 2014 erübrigt sich die demokratische Finte dann – Putin darf wieder Präsident werden. Dimitri Medwedew tritt zurück ins zweite Glied. Bildquelle: Reuters.
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Bild 24 von 31. Seine 3. Amtszeit beginnt entsprechend mit grossen Protesten im ganzen Land. Nach innen nimmt Putin verschiedene personelle Wechsel vor und verschiebt damit die Macht weg von den Bürokraten, hin zu sich selbst. Und auch gegen Ende dieser Amtsperiode schaut es ähnlich aus. Im März, Mai und im Juni 2017 protestierten zehntausende Menschen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 25 von 31. Aussenpolitisch war die 3. Amtszeit geprägt von einer neuen Versteifung auf alte Rivalitätsmuster. Mit dem Krieg in der Ukraine seit 2014 setzt sich Putin dem Vorwurf aus, das Völkerrecht zu brechen. Die daraufhin verhängten Sanktionen gegen Russland liessen den Kurs des Rubel drastisch sinken. Bildquelle: Reuters.
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Bild 26 von 31. Und auch mit seinen offenen Armen für den Despoten aus Syrien setzt sich Putin im Westen harscher Kritik aus. Bildquelle: Reuters.
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Bild 27 von 31. Am 18. März wird Putin mit über 70 Prozent wieder gewählt. Auch wenn es hier den Anschein macht, er könne für die Wahl nichts: Die Opposition wurde bei der Ausmarchung grösstenteils ausgeschaltet. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 28 von 31. Wie in der vierten Amtszeit das Zusammenspiel mit dem neuen Herrn in Washington aussehen wird, darüber rätselt die Welt vorerst noch. Bildquelle: Keystone.
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Bild 29 von 31. Die Amtseinführung wurde bereits im Vorfeld von heftigen Protesten in mehreren Städten des Landes begleitet. Die Polizei griff rigoros ein, und es kam zu zahlreichen Verhaftungen und Verletzten. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 30 von 31. Auch Putins bekanntester oppositioneller Widersacher, Alexej Nawalny, wurde bei diesen Protesten vor der Amtseinführung verhaftet. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 31 von 31. Sechs Jahre Amtszeit: Wladimir Putin wird als Präsident die Amtsgeschäfte höchstwahrscheinlich bis 2024 führen. Damit gibt es in Russland 20-Jährige, die keinen anderen Präsidenten als ihn und Dmitri Medwedew kennen. Bildquelle: Keystone / Archiv.
Auf der Suche nach Gründen besuchen wir den Wahlkampfstab von Kandidat Nummer 1: Das Büro liegt in einem Gebäude der Moskauer Stadtverwaltung – man hat schliesslich gute Beziehungen. In den Räumen ist Putin omnipräsent, wenn auch nicht persönlich. Auf Fotos sieht man den Kreml-Chef mit jungen Eishockeyspielern, mit Kriegsveteranen, in freier Natur mit einfachen Bürgern. Die Botschaft ist klar: Putin – das ist der Präsident aller Russen.
Wer etwas will, wendet sich an ihn
Das Wahlkampfteam hat einen speziellen Pressetermin organisiert. Einfache Bürger dürfen vorsprechen, sogenannte «Gewährsleute» von Putin nehmen die Anliegen entgegen. Ein berühmter Komiker ist gekommen, ein ehemaliger Fussballspieler, ein bekannter Zahnarzt. Sie versprechen, die Wünsche weiterzuleiten an den Präsidenten.
Die Stimmung ist lebendig. Eine paar Studenten bitten um finanzielle Unterstützung. Sie wollen an ihrer Universität ein Reha-Zentrum für behinderte Kollegen errichten. Ein junger Mann hätte gerne Geld für ein Sportprojekt im Moskauer Umland, eine Frau wünscht sich, dass der Präsident ihr Kulturzentrum in einer Provinzstadt besucht.
Die Gewährsleute können keine konkrete Hilfe versprechen. Aber der Anlass zementiert den Eindruck: Putin – das ist ein Mann der Tat. Wer in Russland was will, der wendet sich an ihn.
Garant für Glück und Stabilität
Putin-Gewährsmann und Ex-Fussballer Denis Klebanow etwa beschreibt den Staatschef als wahren Superman: «Es ist sehr selten, dass jemand so ist wie Putin. Er hat einen starken Willen, er arbeitet immer auf ein Ziel hin. Jemanden wie ihn kann man nicht brechen, er gibt nie auf.»
Ein anderer Putin-Unterstützer, der Zahnarzt Oleg Januschewitsch, zieht den Vergleich zum Russland von früher, als Putin noch nicht regierte. Er habe schon zu Sowjetzeiten im Gesundheitswesen gearbeitet und gesehen, was damals für Zustände herrschten. Auch in den Neunzigerjahren sei es schwierig gewesen. «Jetzt aber gibt es viele Veränderungen zum Besseren», sagt Januschewitsch. Er habe fünf Kinder und er wolle, dass sie alle ein «glückliches und stabiles Leben» hätten. Garantieren könne dies: Wladimir Wladimirowtisch Putin.
Putin als Symbol für den Staat
Nur eine Metrostation vom Bürgerbüro entfernt liegt das Moskauer «Carnegie Zentrum». Finanziert von einer US-amerikanischen Stiftung brüten hier einige der klügsten Köpfe Russlands darüber, was in diesem Land passiert. Im «Carnegie Zentrum» wird kritisch nachgedacht, das ist auch der Grund, warum die Politologen und Ökonomen lieber hier arbeiten: In rein russischen Think Tanks wird oft erwartet, dass man nicht zu sehr von der Kremllinie abweicht.
Frage an Andrej Kolesnikow, den Innenpolitik-Chef des «Carnegie Zentrums»: warum ist Putin trotz Wirtschaftskrise so populär? «Diese Unterstützung für den Präsidenten ist eher passiv. Für viele Russen hat Putin eine symbolische Bedeutung. Er ist die Personifizierung Russlands.»
Für viele Russen hat Putin eine symbolische Bedeutung. Er ist die Personifizierung Russlands.
Putin steht also über den Dingen. Er ist ein Symbol für den Staat, ja, für Russland. So ein Herrscher ist allmächtig, verantwortlich aber ist er nicht. Kolesnikow sagt, zwar würden sich viele Russen und Russinnen eine Verbesserung der Wirtschaftslage wünschen. Aber die wenigsten machten eine Verbindung zwischen der staatlichen Politik und ihren persönlichen finanziellen Verhältnissen, ihren Sorgen im Alltag. «Die Position von Putin wird deswegen nicht in Frage gestellt.»
Behördenwillkür – ein altes russisches Leiden
Die Unantastbarkeit des obersten Herrschers ist ein alter russischer Reflex. Bei Reisen durch dieses riesige Land hört man immer wieder das Sprichwort: «Gott ist hoch im Himmel, der Zar ist weit weg.» Auch Vitali und Galina Leonidow zitieren diese alte Regel an einem kalten Wintertag in ihrem Bauernhaus. Das Bauern-Ehepaar lebt in Stekljanucha, einem kleinen Dorf in Russlands Fernem Osten. 9000 Kilometer sind es von hier bis nach Moskau.
Die Leonidows haben ein ernsthaftes Problem: Ihr Gemüsegarten, den sie seit über 30 Jahren beackern, soll plötzlich nicht mehr ihnen gehören. «Dabei ernähren wir uns von dem Land. Wir haben eine Rente von 8000 Rubel (umgerechnet 130 Franken). Ohne die Kartoffeln und das Gemüse aus dem Garten kommen wir nicht durch», sagt Vitali Leonidow.
Vor ein paar Monaten allerdings sind plötzlich Männer aufgetaucht und haben der Familie erklärt, der Garten habe nun einen anderen Besitzer. Der Flecken Land wurde als «Fernöstliche Hektare» an jemanden aus der Stadt überschrieben. Leonidows stehen vor dem Nichts.
Das Programm der «Fernöstlichen Hektare» ist eigentlich eine ganz sinnvolle Sache: Russische Bürger erhalten ein Stück brachliegendes Land in der abgelegenen Provinz und dürfen es bebauen. Ziel ist, die Menschen in der Region zu behalten oder sogar Abenteurer aus Westrussland anzulocken, die in der menschenleeren Gegend ein neues Leben aufbauen wollen.
Nur: Leonidows Land ist nicht ungenutzt. Es ist ihr Garten. Unklar ist, ob die örtlichen Behörden einfach geschlampt haben oder ob Absicht dahinter steckt. Zudem gibt es eine Menge ungelöster rechtlicher Fragen. Die Bauernleute haben das Land zu Sowjetzeiten erhalten. Sie hätten es nach neuem, russischen Recht als Eigentum registrieren müssen, dies aber nicht getan. Die Behörden hätten sich quergestellt, sagt Vitali Leonidow als Entschuldigung. «Wenn wir bei den Beamten vorsprechen, behandeln sie uns wie Würmer. Die denken, sie seien eine besondere Kaste, wir sind für die nur Abschaum.»
Behördenwillkür ist ein altes russisches Problem. Gleichwohl könnte man denken, Putin, der allmächtige Präsident, hätte in seinen 18 Jahren an der Macht etwas dagegen unternehmen können.
Das Bauernpaar Leonidow jedoch will den Präsidenten nicht verantwortlich machen. «Putin sitzt in Moskau, er weiss wohl nicht einmal, was hier bei uns in der Provinz für Zustände herrschen», sagt Vitali Leonidow. Eben: der Zar ist fern.
Konkurrenz wird ausgeschaltet
Zufall ist diese überragende – um nicht zu sagen: abgehobene – Stellung von Putin nicht. Sie ist eine Folge gezielter Politik. Putin wacht eifersüchtig darüber, dass es neben ihm keinen anderen gibt. Missliebige Konkurrenz wird seit Jahren ausgeschaltet. Das beste aktuelle Beispiel dafür ist Alexej Nawalny. Der Oppositionspolitiker wollte bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl antreten. Der Mann hat alles, was es für einen echten Politiker braucht: Charisma, den Willen zur Macht – und er kann mit den Menschen so reden, dass sie ihn verstehen.
Nawalny wäre der einzige Kandidat gewesen, der wirklich gegen Putin gewinnen wollte. Er hat als einziger einen richtigen Wahlkampf geführt – schon im vergangenen Jahr begann er im ganzen Land Büros zu eröffnen, hat Unterstützer mobilisiert. Doch zugelassen wurde er nicht zu der Wahl. Begründung: Nawalny sei vorbestraft.
Tatsächlich ist er von einem Provinzgericht wegen Wirtschaftsverbrechen verurteilt worden. Doch das Urteil hat wenig mit Rechtsprechung zu tun. Es ist allem Anschein nach politisch motiviert, einzig darum gefällt, um Nawalny vom Urnengang fernzuhalten.
Der unwürdige Umgang mit dem Oppositionspolitiker lässt die Vermutung aufkommen, dass Putin starke Widersacher fürchtet. Er selber sagte zwar auf einer Pressekonferenz im vergangenen Dezember, die Staatsmacht habe keine Angst vor politischer Konkurrenz. Leute wie Nawalny aber würden das Land destabilisieren. «Und ich bin sicher, dass die Mehrheit der Bürger das nicht will.»
Leute glauben nicht an eine «echte» Wahl
Putin sitzt also im Kreml und weiss, was seine Bürger wollen. Deswegen hat er sich auch das Recht herausgenommen, einen wie Nawalny gar nicht erst auf den Wahlzettel zu setzen.
Für richtig viel Empörung sorgt diese Entmündigung nicht in der russischen Gesellschaft. Nawalny-Unterstützer mögen sich aufregen – doch die Mehrheit der Russen reagiert bloss mit einem Schulterzucken.
Von eine eigentlichen «Apathie» spricht Natalja Sorkaja. Die Soziologin vom unabhängigen Lewada-Institut sitzt in ihrem Büro in einem Moskauer Altbau unweit des Kreml. Von hier aus erforschen sie und ihre Kollegen die Seelenlage der russischen Gesellschaft. «Die Leute verstehen, dass es sich nicht um eine echte Wahl handelt, es geht mehr darum, die Macht Putins zu bestätigen.»
Die Leute verstehen, dass es sich nicht um eine echte Wahl handelt, es geht mehr darum, die Macht Putins zu bestätigen.
Es gebe in Russland eine unterschwellige, chronische Unzufriedenheit, sagt Sorkaja. Aber zu einem organisierten Widerstand ist das Land nicht Lage. Es fehlen schlicht die Anknüpfungspunkte, die Strukturen. Das Parlament ist unter der Kontrolle des Kreml, das Fernsehen ebenfalls, wirklich unabhängige Parteien gibt es nicht und die Zivilgesellschaft wird unterdrückt, wenn sie nicht stramm dem Kurs des Kreml folgt.
Das ernüchternde Fazit von Natalja Sorkaja: «Die russische Gesellschaft ist atomisiert. Jeder lebt für sich allein. Und deswegen sehnen sich viele nach einer starken Hand, welche das Land in diesen unsicheren Zeiten lenkt.»
Und als diese starke Hand empfiehlt sich Wladimir Putin. Am 18. März wird er für sechs weitere Jahre wiedergewählt.