Der Direktor von Radio France, Mathieu Gallet, wird seines Amtes enthoben. Das hat eine unabhängige Aufsichtsbehörde am Nachmittag entschieden.
Radio France ist der öffentlich-rechtliche Sender in Frankreich. Der Entscheid der unabhängigen Aufsichtsbehörde war aber alles andere als unabhängig: Er geschah aufgrund starker politischer Einflussnahme.
Wegen Vetternwirtschaft verurteilt
Gallet wurde die freihändige Vergabe von lukrativen Beratermandaten zum Verhängnis. Vor zwei Wochen sprach ihn ein Gericht schuldig, Mandate in der Höhe von 400'000 Euro ohne die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung vergeben zu haben. Das Verwaltungsgericht verurteilte ihn deshalb wegen Vetternwirtschaft zu einem Jahr Gefängnis und einer hohen Geldbusse.
Alles geht zurück auf die Zeit vor 2014. Damals war Gallet noch Direktor des nationalen Archivs für Radio und Fernsehen. Er selbst hält sich für unschuldig und hat gegen das Urteil Berufung eingereicht.
Politischem Druck nachgegeben
Während des Prozesses und auch nach dem Urteil hat sich die Aufsichtsbehörde noch hinter Gallet gestellt. Das Verfahren sei ja noch nicht abgeschlossen, hiess es dort.
Zu einem ganz anderen Schluss kam allerdings die Kulturministerin. Ihr obliegt es in Frankreich, den Auftrag an das öffentliche Radio und Fernsehen zu definieren und das jährliche Budget von Radio und Fernsehen zu bewilligen. Sie forderte Gallet umgehend zum Rücktritt auf. Ein Direktor von Radio France müsse zu jedem Zeitpunkt exemplarisch handeln, sagte sie.
Also sah sich die Aufsichtsbehörde gezwungen, den Fall neu zu beurteilen und den Direktor von Radio France zu entlassen.
Öffentlicher Rundfunk unter Beschuss
Die Statuten der Behörde sähen eigentlich vor, Radio und Fernsehen in Frankreich vor direkter politischer Einflussnahme zu schützen. Die Realität scheint allerdings eine andere zu sein.
Seit Wochen ist aus Regierungskreisen laute Kritik am öffentlichen Rundfunk in Frankreich zu hören. Zu ineffizient seien die Strukturen, zu wenig profiliert das Angebot. Öffentliches Radio und Fernsehen unterscheide sich zu wenig von der privaten Konkurrenz.
Stellung gegen neues Mediengesetz bezogen
Die Regierung zieht in Betracht, mit einem neuen Mediengesetz, Radio, Fernsehen und die internationalen Sender Radio France International und France 24 zu verschmelzen.
Radiodirektor Gallet hat sich öffentlich gegen diese Idee gestellt. Gut möglich, die eigentlich unabhängige Aufsichtsbehörde diese Umstände bei der Absetzung des Direktors vom öffentlichen Radio einfliessen liess.
Direkte politische Einflussnahme
Der Entscheid ist einmalig in der Geschichte des öffentlichen Rundfunks in Frankreich. Und er ist eindeutig kein Beweis für Standhaftigkeit gegenüber direkter politischer Einflussnahme.
In diesem Sinne besteht tatsächlich doppelter Handlungsbedarf für ein neues Mediengesetz in Frankreich, das Auftrag und Unabhängigkeit der öffentlichen Medien garantieren sollte.