Rassismus sei kein Fussballproblem, sondern ein Problem der Gesellschaft – der britischen Gesellschaft, sagt die Komikerin Gina Yashere. Hanspeter Künzler wohnt in London und verfolgt den britischen Fussball seit Jahrzehnten. Er pflichtet ihr bei. Auch die Regierung von Boris Johnson spiele dabei eine unrühmliche Rolle.
SRF News: Rassistische Anfeindungen gegen Fussballspieler seien ein gesellschaftliches Problem, sagt Gina Yashere. Wie sehen Sie das?
Hanspeter Künzler: Ich bin mit Gina Yashere absolut einverstanden. Die Fussballwelt ist ja nicht irgendein kleiner Kosmos, quasi eine Bubble auf dem Mond. Sondern sie gehört zur Gesellschaft und reflektiert einfach das, was in der Gesellschaft läuft. Dass im Fussball die Rassismusfrage nun so prominent aufgetaucht ist, zeigt eigentlich nur, dass Rassismus in der britischen Gesellschaft wieder deutlicher zu spüren ist als vorher.
Nachdem drei schwarze Nationalspieler ihre Penaltys verschossen hatten, drehten viele britische Fussballfans richtiggehend durch. Hätten sie auch so reagiert, wenn die Spieler weiss gewesen wären?
Durchgedreht wären sie ziemlich sicher sowieso. Das hat man ja in den letzten Jahren immer wieder gesehen. Das hat zum Beispiel auch der Schweizer Fussballer Granit Xhaka bei Arsenal miterleben müssen. In der Anonymität der Sozialen Medien sind die Grenzen des Respekts, die man vorher gekannt hat, vollkommen verloren gegangen. Man brüllt das heraus, was einem bei der Person, die man als Sündenbock sieht, als Erstes auffällt. Ausländer kommen als Ausländer dran. Schwarze Spieler werden aber wegen ihrer Hautfarbe verunglimpft. Das ist Rassismus.
Ist Rassismus in Grossbritannien salonfähig geworden?
Das kann man so sagen. Ich habe diverse Epochen im englischen Fussball erlebt. Die 80er Jahre mit den Hooligans. Die 90er und Nullerjahre, als die Vereine selber zu agieren begannen und den Rassismus bekämpften. Sie waren damit erstaunlich erfolgreich.
Was die ganze Sache deutlich verschlimmert hat, ist die Kampagne für den Brexit.
Aber was bei den Clubs gut funktionierte, funktionierte bei der Nationalmannschaft nicht gut, denn dort kann man das Gefolge viel weniger gut kontrollieren. Und vor allem kommt da auch nationalistisches Gedankengut hervor, das bei den einzelnen Vereinen nicht im Vordergrund steht. Aber was die ganze Sache deutlich verschlimmert hat, ist die Kampagne für den Brexit.
Was hat die Brexit-Kampagne damit zu tun?
Während der Kampagne wurde von gewissen Organisationen deutlich ausländerfeindliches Material in die Diskussion eingestreut. Es wurde plötzlich salonfähig, sich über Ausländer zu echauffieren. Gleichzeitig sind auch die Sozialen Medien immer wichtiger geworden. Darauf folgte die Reaktion der Fussballer, vor einem Spiel auf ein Knie zu gehen.
In der Anonymität der Sozialen Medien sind die Grenzen des Respekts vollkommen verloren gegangen.
Sie wollten sich damit gegen die rassistischen Attacken, die auf einzelne Spieler lanciert wurden, wehren. Diese Aktion sei nicht als politische Geste gedacht, sagte Nationaltrainer Gareth Southgate. Sondern als eine solidarische Geste gegen den Rassismus mit den schwarzen Spielern.
Diese Aktion wurde von der Regierung wiederum kritisiert...
Genau. Ein konservativer Parlamentarier hat gesagt, er werde Spiele boykottieren, bis die Spieler nicht mehr auf die Knie gingen. Boris Johnson und vor allem Innenministerin Priti Patel haben noch Öl ins Feuer gegossen und gesagt, dass sie verstehen, wenn Leute die Knienden ausbuhen würden. Man wolle keine Politik auf dem Rasen. Also haben jene, die gebuht haben, es als politischen Protest gesehen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.
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